[ Urteil im Parkbank Verfahren ]
Gegen den Extremismus der Mitte
Ein Kommentar aus autonomer Perspektive zum heutigen Urteil gegen die Drei von der Parkbank und die anstehenden weiteren Verfahren im Zusammenhang mit G20. Das Verfahren gegen die drei von der Parkbank ist mit Haftstrafen von 22, 20 und 19 Monaten ohne Bewährung in erster Instanz zu Ende gegangen. Die Haftbefehle wurden vorübergehend ausgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtswirksam. Klar ist aber, mit dem heutigen Urteil im Parkbankverfahren endet der politische Prozess nicht. Die große Freude über die längst überfällige Aufhebung der Haftbefehle mischt sich mit der Wut und Besorgnis über die hohen und teilweise erst noch anstehenden Haftstrafen und die anhaltenden Repressionen und Verfahren nach dem G20 Gipfel.
Alle diese Prozesse stehen beispielhaft für eine Stimmungsmache gegen linke Strukturen, die abschrecken und Angst verbreiten soll. Während Nazis morden und sich Waffenarsenale anschaffen, wird mittels einer angeblichen Menschengefährdung durch linke Aktivist*innen eine neue terroristische Dimension inszeniert. Doch es besteht ein gewaltiger Unterschied, ob Sachen beschädigt oder Wohnhäuser in Brand gesetzt werden. Ersteres ist Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Proteste, als Sabotage uraltes gewerkschaftliches Kampfmittel, letzteres ein Teil der Dimension faschistischer Gewalt gegen Andersdenkende oder Menschen mit Migrationshintergrund.
Ob Leipzig, Berlin oder Hamburg, Die Mittel der Repression und Überwachung ähneln sich derzeit. Paragraph 129 Verfahren oder „Gefährder“*innen-Einstufungen gehen einher mit einer Dämonisierung von Protesten, die sich gegen Wohnungsleerstand oder globale Ungerechtigkeiten richten. Der Kampf gegen faschistische Strukturen, welche weit in staatliche Organisationen und Behörden hineinreichen, wird mittels Hufeisentheorien gleichgesetzt.
Was besoffen klingt, ist ein Extremismus der Mitte, der faschistische Verbrechen bewusst verharmlost, um die bestehenden Realitäten als Beste aller möglichen Welten darzustellen.
Kapitalismus und Parteienpolitik sollen als unveränderbare Ordnung und letzte Grenze vor der Barbarei verinnerlicht werden. Eben nicht perfekt, aber am Ende der Geschichte scheinbar doch unverzichtbar. Mit dem Stempel eines „gesunden“ Menschenverstandes und der Hegemonie einer „Ratio der Verwertbarkeit“ versehen, neben der scheinbar nur noch Irrationalität, Unvernunft oder „Extremismus“ existieren kann.
Was damit verhindert werden soll, sind Fragen, die gerade in Pandemie-Zeiten wichtiger sind denn je. Wem gehört die Stadt und weshalb? Und was brauchen wir, um dies zu ändern? Wo sind die gesellschaftlichen Wurzeln von Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus und wie können wir Gewaltverhältnisse im Alltag wirksam bekämpfen?
Es ist und bleibt wichtig, sich in der gesamten Breite sozialer Bewegungen aufzustellen und solidarische Netzwerke zu bilden. Gemeinsame emanzipatorische Debatten zu führen, unterschiedliche Widerstandserfahrungen zu machen, andere Perspektiven wahrzunehmen, Haltung zu zeigen und auch Grenzen unserer Solidarität zu zeigen, wo gesellschaftliche Diskurse in der Verteidigung von Privilegien, Männerkumpanei, Rassismus oder Antisemitismus münden.
Corona-Leugner*innen und Rechtspopulist*innen, die sich am Griff nach der Macht sehen, gilt es ebenso entgegenzutreten wie der Zuspitzung herrschender Ungerechtigkeiten. Denn mehr als bei der ersten Welle greift im Rahmen der aktuellen Corona-Verordnungen ein Primat kapitalistischer Verwertbarkeit und wird ein neues Klassensystem sichtbar.
Es ist eben ein riesiger Unterschied, in einer großen Eigentumswohnungen mit Garten in eine notwendige Quarantäne zu gehen oder in einer menschenunwürdigen Unterkunft ohne Balkon, im Knast oder einem Lager. Während Arbeiter*innen und Schüler*innen sich in vollbesetzte Busse quetschen, herrscht Ruhe im Home-Office und die Putzkräfte wischen leise den Staub. Während Pflegepersonal ohne Symptome auch mit Corona infiziert zur Arbeit gehen soll, läuft in den Autofabriken das Band ungerührt weiter.
Abgeschafft und als Feind erklärt wird stattdessen die Freizeit, die ebenso wie Kultur als verzichtbar und unwichtiger als die Fabrik angesehen wird. Bei Beschränkungen von sozialen Kontakten werden patriarchale und heterosexistische Familienverhältnisse protegiert und andere Beziehungsverhältnisse marginalisiert.
So vertiefen sich in der Pandemie herrschende Normen und Vorstellungen zu einer repressiven Normalität. Zumindest wenn wir nicht entgegenwirken und auch unter diesen Bedingungen für gleiche Rechte, Emanzipation und Selbstermächtigung kämpfen.
Wir fordern in einer Welt, welche die Warenproduktion zum Kern und Inhalt des Zusammenlebens erklärt, das Überfüssige und Nutzlose. Nicht weniger.
Eine Parkbank macht noch keinen Sommer. Aber sie zeigt uns auf dem Weg zwischen Wohnung, Einkauf und Arbeit, dass da draußen noch Leben ist, Freizeit keine Zeitverschwendung, sondern ganz offenbar gefährlich ist.
https://de.indymedia.org/node/115151
Freiheit für die 3 von der Parkbank!
Solidaritätserklärung der Antifaschistischen Koordination Lübeck
In der Nacht auf den 8. Juli 2019 wurden drei unser Genoss*innen und Freund*innen festgenommen. Direkt in derselben Nacht gab es mehrere Hausdurchsuchungen in ganz Hamburg. Dabei wurden Menschen zum Teil mit Waffen aus dem Schlaf gerissen. Noch heute sitzen zwei von ihnen in Haft. Die andere Genoss*in wurde unter strikten und stark lebenseinschränkenden Auflagen freigelassen. Den dreien wird von der Generalstaatsanwaltschaft Vorbereitung einer Brandstiftung vorgeworfen. Einfach nur, weil sie angeblich Feuerzeug und brennbare Flüssigkeit bei sich hatten. Gegenstände, die frei verkäuflich sind und ohne Einschränkung bei sich geführt werden dürfen! Den Betroffenen wird keine konkret verübte Straftat vorgeworfen, sondern eine solche möglicherweise im Sinn gehabt zu haben.
Zusätzlich wird von der Presse, den Bullen und der Generalstaatsanwaltschaft immer wieder ein Zusammenhang mit dem Jahrestag von G20 konstruiert. Die Festnahmen sind die Fortführung der massiven Repressionen nach G20. Bereits beim Gipfel selbst erreichte die Polizeigewalt ein erschreckendes Maß. Menschenrechte wurden ausgesetzt. Die große Zahl an Ermittlungsverfahren danach resultiert aus den absurdesten Konstrukten. Und die Polizeigewalt wird bis heute verleugnet! Stattdessen wurden und werden Betroffene mit vagen Vorwürfen und offensichtlichen Lügen teilweise monatelang in Untersuchungshaft gehalten. Die Rechte von Betroffenen werden systematisch ausgehebelt. Damit werden die Ermittlungen selbst zum Strafinstrument und Teil einer autoritären Inszenierung.
Es wird mehr als deutlich, dass auch bei den Dreien hier ein Exempel statuiert werden soll. Die Drei sollen benutzt werden, um uns Angst zu machen und zu spalten. Repression soll immer Angst machen, isolieren, lähmen und vereinzeln. Es wäre gelogen zu sagen, dass der Rechtsruck und die vorranschreitende Abschottung Europas nach Außen und die Repression nach Innen keine Angst macht.
Doch gleichzeitig macht es auch wütend und diese Wut gibt Kraft! Es macht wütend, dass uns unsere Freund*innen und Genoss*innen weggenommen wurden. Es macht wütend auf dieses Scheißsystem, in dem wenige Bestimmen, was für Viele richtig und falsch sein soll. Es macht wütend auf die Bullen, die als verlängerter Arm der Wenigen Ihre Macht missbrauchen. Diesem ganzen Scheiße können wir uns nur gemeinsam in den Weg stellen.
Von Repression betroffen sind Einige, doch gemeint sind wir Alle! Informiert Euch! Besucht die Infoveranstaltungen und Vorträge eurer antifaschistischen Strukturen! Kennt Eure Rechte gegen Bullen und deren Repressionen! Organisiert Euch! Vernetzt Euch mit Freund*innen und Genoss*innen! Tretet der Roten Hilfe bei. Seid kreativ! Macht Soliaktionen, malt Transparente, macht Fotos, schreibt Texte! Seid laut, wenn die Masse schweigt! Kommt auf Demos und Kundgebungen! Macht den Mund auf bei Stammtischparolen und Alltagsrassismus! Gegen jede Form von Repression!
In diesem Sinne kämpferische und solidarische Grüße an unsere 3 Genoss*innen: Brennende Herzen lassen sich nicht Wegsperren.
Freiheit und Glück für die 3 von der Parkbank!
quelle: luebeck.systemausfall.org
Erklärung von Thunfisch & Knastcharts!
12/11/19, Brandenburg-an-der-Havel
Hi ihr lieben,
Erstmal danke und probs, dass ihr diesen Brief liest ! Sich Zeit zu nehmen um den Wörter der Gefangenen acht zu geben ist echt wichtig und cool. Es tut mir gut, mir vorzustellen, dass ihr auf der anderen Seite der Gittern diesen Brief in euren normalen Leben lesen werdet.
Na ja, jetzt bin ich wieder im Knast, und wieder auf dem Transport – zynischeweise auf genau den selben Weg, wie fast genau 3 Jahre her, nur in die andere Richtung (Berlin nach Bielefeld statt Bielefeld nach Berlin). Ich nutze diese Gelegenheit, um meine Eindrücke von der JVA Luckau-Duben (Brandenburg), Brandenburg-an-der-Havel (Brandenburg), Halle (Sachsen), Hannover (Niedersachsen), Hildesheim (Niedersachsen) und Bielefeld-Brackwede (Nordrhein-Westfalen) zu bestätigen und meine drei Jahre alte Pläne eines Notensystem für Knäste auf die Beine zu stellen : ich veröffentliche es sobald es fertig ist, es könnte euch nützlich sein oder überhaupt amüsieren.
Eigentlich geht es mir den Umständen entsprechend eher gut, auch weil es halt nicht mehr das erste Mal ist, und weil ich mich seitdem intensiv und offensiv mit Knast auseinandergesetzt habe. Es hilft wirklich sehr, ich kann es euch nur weiterempfehlen ! Gut auch, dass ich dieses Mal nicht auf der Straße beinah im Schlafanzug festgenommen wurde, sondern aus dem Flieger kurz vor dem Abflug von den Bullen abgeholt wurde, also mit meinem gesammten Koffer.
Ein Paar Gedanken dazu. Ein paar Tage her, hatte ich ein Artikel in der In der Tat (anarchistische Zeitschrift) gelesen, es hies so was wie „Im Freiluftgefägnis“ [In der Tat nummer 5, Herbst 2019, „Im Freiluftgefängnis“]. Es sagte ungefähr, es gäbe doch keinen konkreten Unterschied zwischen beiden Seiten der Gittern, da mensch draussen auch nicht frei ist und in der Bewegungen eingeschränkt wird (zb. durch Grenzen) und überwacht wird (durch Technologie). Freund*Innen und ich haben drüber gequatscht, und ich brachte die Kritik, dass Knast doch nicht nur um „Freiheit“ geht, sondern eher um Auslieferung. Im Knast bist du ständig unter der Hand des Staates, komplet ausgeliefert, fast wehrlos. Im Knast bist du erstmal in einer Zelle eingesperrt und es können irgendwelche Leute reinkommen und mit dir das zu tun, was sie wollen. Draussen hast du fast immer mindestens die Möglichkeit, wegzurennen, ob du es versuchst oder nicht, ob du es schaffst oder nicht.
Gestern im Flieger hatte ich aber diese Möglichkeit doch nicht. Im Schönefelder Flughafen auch nicht : überall Schleuse, geschlossene Türen, Kontrolle. Ich war auch da tatsächlich vollkommen den Behörden ausgeliefert, wie in einer Gefängniszelle. Und das schlimmste, was mich gerade richtig ankotzt, viel mehr als die Festnahme in sich, ist, dass ich mich vollkommend freiwillig und nichts ahnend geliefert habe, ich habe mich sogar gefreut. Ich hatte diese Auslieferung nicht mal kommen gesehen. Ausserhalb der Egoverletztung, dass ich gehofft hätte, ich wäre nicht so naiv und auch nicht so schnell bereit, mich von kleinen Freuden (in diesem Fall, in Urlaub fliegen) verblindet zu lassen, tobt sich in mir eine Frage aus : wie oft liefere ich mich eigentlich selbst aus, im Alltag ? Wie oft laufe ich durch Schleuse und Eisentüren, ohne es bloß zu bemerken ? Mit dieser Frage bin ich noch nicht so weit, ich weiß nur, dass ich wahrscheinlich nie wieder in Flughafen reintrette – nicht zuerst wegen Trauma, sondern eher wegen des Eckels was ich jetzt fühle, wenn ich an diese konstenpflichtige Ausweglosigkeit denke.
Schreibt mir gerne eure Gedanken dazu ! Ich schreibe noch mal die Tage – vielleicht über Umgang mit Schliessern und Stockholmsyndrom : da bräuchte ich auf jeden fall ein paar Tipps und Analysen dazu ! In diesem Sinne, passt gut auf euch auf und auf eure, unsere Gefangene : liebste Grüße auch an die 3 von der Parkbank, an Lisa, an Loic, und an die hunderte Gefangene der Gilets Jaunes Proteste : kein Knast steht ewig, und bald tanzen wir gemeinsam auf dem Grab des Bestehendes ! Haltet ihr auch die Ohren steif <3
Und als Trailer für die zweite kommende Erklärung (über Transport), die besten Schliesserzitate der Woche !
Halle :
Thunfisch : Ich sehe, dass mein Recht, meine Verteidigerin zu erreichen, gerade verlezt wird.
Schliesserin : Doch gar nicht, sie dürfen ihr jederzeit schreiben.
Thunfisch : Ok, dann bräuchte ich Briefmarken.
Schliesserin : Geht nicht.
Thunfisch : Ja also ich kann ihr doch gar nicht schreiben !!!
Schliesserin : Nein, aber sie dürfen es.
Luckau-Dubben, über den „obligatorischen“ Urinentest :
Thunfisch : Diese Massnahme finde ich unwürdig.
Schliesserin : Muss doch jede machen.
Thunfisch : Ja, dann ist es halt unwürdig für alle.
Schliesserin : ….
Thunfisch : Finden sie nicht ?
Schliesserin : Nein, ich finde es dann normal.
Erklärung, die am 2, Hafttag geschrieben wurde, und leider nicht geschickt werden könnte, durch die komplete Ausschaltung, die mensch im Knasttransport erfährt (ein weiterer Text dazu kommt demnächst). Wir haben uns doch entschieden, es zu veröffentlichen, auch weil andere Gefangene gegrüßt werden und sie diese Zeile vieilleicht noch erreichen können.
quelle: indymedia
Von Parkbänken und nervösem Ermittlungseifer in Hamburg
In der Nacht zum 8.Juli wurden drei Personen von zivilen Einsatzkräften der Hamburger Polizei in einem Park in Eimsbüttel kontrolliert. Ihre Sachen wurden durchsucht und dabei angeblich Gegenstände gefunden, die darauf hindeuteten, dass sie einen Brandanschlag hätten verüben wollen. Alle drei wurden daraufhin in Haft genommen. Im Anschluss erfolgten die obligatorischen Hausdurchsuchungen bei den 3en, die seit dem von allen nur noch ‚Die 3 von der Parkbank‘ genannt werden. Eine Person von ihnen kam schon am nächsten Tag gegen Auflagen wieder frei. Die anderen beiden sitzen seit dem in Untersuchungshaft im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis in Hamburg. Vorgeworfen wird ihnen die gemeinsame Vorbereitung einer schweren Brandstiftung. Die andauernde Haft wird mit einer angeblichen Fluchtgefahr wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe begründet, der dringende Tatverdacht mit der Einbindung in die autonome/ anarchistische Szene.
In mehreren Artikeln in der Hamburger Presse, die den Zeitungen ziemlich deutlich vom Staatsschutz und der Staatsanwaltschaft direkt in die Feder diktiert wurden, stand zu lesen, dass es schon länger andauernde Observationen gegeben haben soll. Ob gegen alle drei oder einzelne wurde nicht deutlich formuliert. So soll aber zumindest eine Person den betreffenden Tag über observiert worden sein. Angeblich soll er dabei beobachtet worden sein, wie er Benzin kauft und in einer Kleingartenanlage verschwindet. Im Laufe der Veröffentlichung weiterer Artikel wandelten sich Einzelheiten in der Darstellung. So wurde später nichts mehr davon geschrieben, dass die drei schon seit längerem observiert wurden, oder, dass sie beim Vorbereiten von Brandsätzen beobachtet worden seien, nachdem gerade dies anfangs ein großes Thema war. Auffällig war in allen Veröffentlichungen, dass von Beginn an vor allem ein Beschuldigter in den Medien zu einem Hauptbeschuldigten aufgebaut wurde, zu einem berüchtigten autonomen Rädelsführer mit internationalen Kontakten. Gleichzeitig wurden zumindest in einem Artikel demonstrativ Szenetreffpunkte, Läden und Zentren benannt. Diese direkt aus den Büros des Staatsschutzes und der Staatsanwaltschaft stammende Presseberichterstattung ist zum einen natürlich die propagandistische Begleitmusik und das Abfeiern des eigenen Erfolgs. Zum anderen bereiten sie aber auch die Öffentlichkeit auf verschiedene Verfahrensvarianten vor und verkaufen die Festnahmen als Schlag gegen die gesamte radikale Linke.
Wir gehen davon aus, dass es schon seit längerem, zumindest temporäre sich über Monate hinziehende Observationen, gegen verschiedene Strukturen in Hamburg gab und gibt. Sowohl vom Staatsschutz als auch vom Verfassungsschutz hat es solche Überwachungsmaßnahmen in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Diese Maßnahmen richten sich vor allem gegen Strukturen, denen unterstellt wird, sie könnten eine militante Praxis verfolgen. Die Versuche der Infiltration durch verdeckte Ermittler in den letzten Jahren hatten im Wesentlichen genau diese Zielrichtung. Solche Maßnahmen laufen in der Regel nicht im Zusammenhang mit einem Strafverfahren, sondern im Rahmen des Polizeigesetzes zur Gefahrenabwehr. Die Begründung der Gefahrenabwehr wegen militanter Aktionen ist auch immer wieder das Zauberwort, wenn die G10 – Kommission des Senates geheimdienstliche Überwachungen durch den Verfassungsschutz in Hamburg genehmigt. Gerade im Vorfeld von größeren Ereignissen oder zu Jahrestagen, an denen es erfahrungsgemäß zu symbolischen militanten Aktionen kommt, fährt der Repressionsapparat die Intensität solcher Überwachungsmaßnahmen nach oben. Mit dem Ziel mögliche militante Aktionen zu verhindern und um endlich einmal einen Ermittlungserfolg im Zusammenhang mit militanten Interventionen vorweisen zu können. Nachdem es schon 2018 zu Aktionen zum 1. Jahrestag des G20 gekommen war, lag es für den Staatsschutz dementsprechend nahe, auch 2019 von Aktionen auszugehen. Observiert wurden vermutlich alle diejenigen, von denen polizeiliche und geheimdienstliche Erkenntnisse vorliegen, dass sie möglicherweise an militanten Aktionen beteiligt sein könnten. Auch wenn im Zusammenhang mit den Festnahmen von verschiedenen Seiten immer wieder vermutet oder spekuliert wurde, dass es einen direkten Bezug zum G20 gäbe, gehen wir nach allem was bisher bekannt ist, nicht davon aus, dass es ein schon länger andauerndes Ermittlungsverfahren gegen bekannte und konkrete Personen im Zusammenhang mit G20 gibt. Abgesehen von den Ermittlungen, die sich aus den Fotofahndungen der SoKo Schwarzer Block ergeben haben. Auch wenn die Festnahmen vom Juli 2019 immer wieder im Zusammenhang mit G20 betrachtet oder gestellt werden, ergibt sich für uns der Zusammenhang zum G20 aus der zeitlichen Nähe zum Jahrestag des G20, vor allem aber auch aus den klandestinen militanten Aktionen, die sowohl in der Mobilisierung gegen den G20 und danach stattgefunden haben. Den Bullen sind diese inhaltlichen Zusammenhänge aber vermutlich erst einmal egal, denn für sie stehen die militanten Strukturen an sich im Fokus, egal mit welchen Themen diese sich gerade beschäftigen.
Das Hauptinteresse der Polizei ist jetzt den dreien die Planung einer militanten Tat und weitere Beteiligungen an militanten Aktionen der letzten Zeit und vor allem die Bildung einer größeren Struktur nachzuweisen. Der Staatsschutz steht dabei deutlich unter Druck. Die Hamburger Polizei tappt seit fast 25 Jahren weitestgehend im Dunkeln, was militante Aktionen in Hamburg angeht. Die Geschichte des Misserfolgs der Hamburger Polizei ist es, nicht geschafft zu haben, an Strukturen und Aktivist_innen wie die autonome zelle zum gedenken an ulrike meinhof, Akteure militanter Antifaaktionen oder die verschiedenen Gruppen, die kontinuierlich Aktionen gegen Politikerinnen und Repräsentanten der Wirtschaft oder den Polizeiapparat selber durchgeführt haben, heranzukommen. Flächendeckende Ermittlungen aller möglichen Behörden incl. geheimdienstlicher Operationen und der wiederholte Einsatz von verdeckten ErmittlerInnen haben zu nichts geführt. Neben der öffentlichen Kritik an dieser Praxis in Hamburg selbst gab es schon mehrfach ein öffentliches Abwatschen durch Bundesbehörden wie die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt, so etwa nach den militanten Interventionen in der Mobilisierung gegen den G7 Gipfel in Heiligendamm oder nach dem Angriff auf die Lerchenwache.
Der Beschluss des Bundesgerichtshofes von 2009 im Verfahren gegen die militante gruppe hat dem Staatsschutz den § 129a als vorrangiges Ermittlungsinstrument gegen linke Organisierungen aus der Hand genommen. Der § 129a als Ermittlungsparagraf gegen terroristische Vereinigungen hatte der Polizei in Ermittlungsverfahren fast unbegrenzte Möglichkeiten an die Hand gegeben. Seit 10 Jahren werden zu diesem Zweck immer häufiger die Polizeigesetze der Länder genutzt, die dem Apparat von Verschärfung zu Verschärfung mehr Möglichkeiten auch geheimdienstlicher Art und vor allem außerhalb jeder richterlichen oder politischen Kontrolle verschaffen.
Ermittlungserfolge und Zugriff auf militante Strukturen zu bekommen war seit langem das vorrangige Ziel beim Hamburger Staatsschutz. Nach den Festnahmen der drei im Juli 2019 sind Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt in der Situation weiter erfolgreiche Ermittlungen und eine schlüssige Anklage zu liefern, die zu einer Verurteilung führen.
Der Aufbau eines Beschuldigten zum Rädelsführer und wichtigen Oberanarchisten auch jenseits der konkreten Beschuldigung dient einer doppelten Strategie. In den Ermittlungen und propagandistisch wird der Staatsschutz weiterhin versuchen, internationale Zusammenhänge einer militanten Szene zu entwerfen und nach größeren Strukturen suchen oder sie schlicht behaupten, die sie mit in das Verfahren ziehen können. Zudem ist die Behauptung der Einbindung der Beschuldigten in Strukturen und ihre Wichtigkeit innerhalb einer Szene und damit die Konstruktion einer angeblichen Gefährlichkeit der Beschuldigten ein ganz entscheidender Grund für die andauernde Untersuchungshaft.
Andererseits bereiten Polizei und Staatsanwaltschaft gleichzeitig auch eine Anklage und Verfahrensführung vor, die auf eine sichere Verurteilung nur wegen der angeklagten Vorwürfe hinauslaufen soll.
Bis jetzt allerdings scheint alles, was der Staatsschutz präsentiert, auf äußerst wackeligen Füßen zu stehen. Offensichtlich fällt es ihnen schwer nur aus dem angeblichen Besitz von Brandsätzen eine schwerwiegende Anklage zusammen zu zimmern. Im Moment begibt sich die Staatsanwaltschaft auf das dünne Eis der Vorfeldkriminialisierung und des Feindstrafrechts, in dem sie gegen eine Straftat beschuldigt, die gar nicht stattgefunden hat bzw. eine Verabredung behauptet, die nicht zu belegen ist. Gerade deshalb hat die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen und nicht wieder an die untergeordneten Strukturen zurückgegeben, wie es bei anderen Staatsschutzverfahren normalerweise der Fall ist. Den Behörden ist die Brisanz des Verfahrens durchaus bewusst, wenn der oberste Staatsanwalt der Stadt die Hoheit über die Ermittlung und Verfahrensführung behält, der nur der politischen Instanz des Senates rechenschaftspflichtig ist.
Eine erste Ermittlungspraxis, wenn es darum geht gegen Strukturen zu ermitteln, ist, die bekannten Kontakte von bereits Beschuldigten intensiv abzuscannen. Telefonverbindungen, Mailkontakte, sowie soziale Netzwerke und Observationsergebnisse werden auf weitere Verdächtige hin geprüft. Das bedeutet, dass bis jetzt vermutlich eine Vielzahl von Menschen aus linken Strukturen, aber auch durchaus den Bullen Unbekannte überprüft werden und im Fokus stehen. Die drei von der Parkbank werden als Einstieg in die Ermittlungen benutzt.
Und wenn wir davon ausgehen, dass die drei im Rahmen einer Observation zur Gefahrenabwehr festgenommen wurden, bedeutet das auch, dass an dem betreffenden Abend weitaus mehr Menschen als Zielpersonen auf den Listen der Observationstrupps gestanden haben als die drei Festgenommenen.
Durch die andauernde U-Haft, begründet mit einer angeblichen Fluchtgefahr trotz Arbeitsplätzen (die wider besseren Wissens von der Polizei geleugnet wurden), festen Wohnsitzen und einem festen sozialen Umfeld, hängen Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen höher, als die Erkenntnisse es hergeben und begründen das Ganze nur mit der Bedeutung der einzelnen Beschuldigten.
Es liegt durchaus nahe, dass die Behörden auf weitere Ermittlungsergebnisse hoffen, die dann im Ergebnis die Haft rechtfertigen könnten und unter Umständen noch andere Vorwürfe gegen möglicherweise weitere Beschuldigte hergeben. Das Suchen nach angeblichen, unbekannten Mittäter_innen ist bekanntlich die Zauberargumentation, um erfolglose Ermittlungen am Laufen zu halten.
Also gilt weiterhin: Passt auf Euch auf
Alles Liebe und 1000 Grüße den Gefangenen
quelle: indymedia
Wir erklären unsere Solidarität
12. November 2019 by solidaritaeterklaeren
Solidaritätserklärung von Projekten, Initiativen und Gruppen gegen Repression und die Kriminalisierung der Proteste nach G20 in Hamburg. Nach wie vor gibt es ein ungebrochenes Rache- und Strafbedürfnis der Politik und Polizei, das in Hamburg und anderen Städten von Observationen, Öffentlichkeitsfahndungen, Hausdurchsuchungen, Festnahmen und geplanten Massenprozessen begleitet wird. Wir fordern gemeinsam das Ende der politischen Repression nach dem G20 Gipfel und die Freiheit aller Gefangenen. Unterstützt die Solidaritätserklärung, von Repression betroffene Projekte und Demonstrationen gegen staatliche Repressionen und neue Polizeigesetze.
In der Nacht vom 7. auf 8. Juli wurden die Drei von der Parkbank kontrolliert und anschließend festgenommen. Vordergründiger Anlass war laut Polizei keine konkret verübte Straftat, sondern eine solche möglicherweise im Sinn gehabt zu haben.
Laut Medienberichten standen die Festnahmen im Zusammenhang mit einer nicht näher definierten „gezielten Observation“ rund um den Jahrestag des G20 Gipfels. Zwei der Betroffenen befinden sich nach wie vor in U-Haft, bei der Dritten von der Parkbank wurde der Haftbefehl vorläufig ausgesetzt.
Die Festnahmen wurden von der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft an sich gezogen und über die Presse ein Zusammenhang mit politischen Ermittlungen nach G20 hergestellt. Der Umstand macht deutlich, dass unabhängig von Sachebenen versucht wird, ein politisches Ermittlungsverfahren gegen linke Strukturen und Projekte nach dem Gipfel in Hamburg zu führen.
Wir wissen, dass solche Kriminalisierungsversuche mit der Durchleuchtung von lokalen Netzwerken, Projekten und Zentren einhergehen. Es muss davon ausgegangen werden, dass in Hamburg und möglicherweise auch in anderen Städten umfangreiche Observationsmaßnahmen und Telekommunikationsüberwachungen stattfinden. Rechtshilfegruppen haben in diesem Zusammenhang auch vor möglichen weiteren Durchsuchungen und Razzien gewarnt.
Die Ermittlungen gegen die Drei von der Parkbank greifen keine Handlung an, sondern eine politische Haltung. Der einzige Grund, dass sich aktuell zwei der drei in Untersuchungshaft befinden, liegt darin, dass sie als politisch aktive Menschen identifiziert werden – dass sie welche von „uns“ sind: Die üblichen Verdächtigen, Team Antifa, gegen Mietenwahnsinn und Gentrifizierung auf Stadtteilversammlungen, in offener Feindschaft gegen das europäische Grenzregime und Sterben am Mittelmeer. Sie sind in Haft, weil sie von einer anderen besseren Welt und Herrschaftsfreiheit nicht nur träumen.
Nach wie vor gibt es ein besonderes Rache- und Strafbedürfnis von Politik und Polizei nach dem G20 Gipfel. Im Zusammenhang mit einem Polizeiüberfall am Rondenbarg soll ein „Mammutprozess“ gegen 100 Menschen stattfinden. Bestraft werden sollen auch hier explizit keine Taten oder konkreten Handlungen, sondern allein der Umstand vor Ort und mit uns allen auf den Straßen von Hamburg unterwegs gewesen zu sein.
Große Ermittlungsverfahren und Untersuchungshaft sollen ein Klima der Angst und Ohnmacht erzeugen. Umso wichtiger ist es, solchen Angriffen gemeinsam entgegenzutreten und dem Versuch der Ohnmachtserfahrung und Isolierung unsere breite Solidarität und Lebendigkeit entgegen zu setzen.
Gegen die Kriminalisierung linker Strukturen und Projekte!
Wir als Zentren, stadtpolitische Projekte, kulturelle Initiativen, politische Gruppen und Solidaritätsnetzwerke fordern die Einstellung aller Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit G20 und die Freiheit aller Gefangenen.
Wir haben gemeinsam die Proteste gegen den G20 Gipfel in Hamburg mitgetragen und mitorganisiert und gemeinsam weisen wir nun auch Kriminalisierungsversuche und politisch motivierte Strafverfahren zurück.
Wir erklären allen Betroffenen von Repressionen unsere Solidarität und stellen, sofern möglich, Räumlichkeiten und Infrastruktur für Solidaritätsarbeit zur Verfügung. Wir stehen an der Seite von Projekten die möglicherweise noch kriminalisiert werden und lassen uns durch Konstrukte der Repression nicht spalten. Wir arbeiten weiter an einer solidarischen, offenen Stadt für Alle.
quelle: https://solidaritaeterklaeren.blackblogs.org
Liste der Unterstützer*innen
Assoziation A
Ermittlungsausschuss Hamburg
FAU Hamburg
Café Libertad Kollektiv
El Rojito
Fanclub Punkrock St. Pauli
Fanprojekt St. Pauli Roar
Genossenschaft Alternativen am Elbufer e.G.
Infoladen Schwarzmarkt
Initiative Jägerpassage
Kulturkollektiv Semtex
Nika Hamburg
Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg
Rote Flora
St. Pauli selber machen
Wagengruppe Zomia
Wohnprojekt Plan B
(wird chronologisch fortgesetzt)
Kontakt und Erklärung unterzeichnen:
agfa [at] nadir.org
Offener Brief von einem der „3 von der Autobahn“
02.10.2019
Wenn euch dieser Brief erreicht sitzen wir schon seit über einem Monat in Gefangenschaft der französischen Klassenjustiz. Dieser Text ist wieder von einem von den 3 von der Autobahn. Leider nur von einem, da uns weiterhin der Kontakt untereinander verwehrt wird. Unser Fall reiht sich ein in eine Reihe von Verhaftungen und Verurteilungen in Frankreich und Europa die die faschistoide und reaktionäre Gesetzesoffensive der Herrschenden legitimieren soll. Diese Gesetzes- und Gewaltoffensive können wir als Antwort darauf sehen, das sich in den letzten Jahren überall in Europa Menschen zusammengeschlossen haben um dem wahnsinnigen herrschenden System den Kampf anzusagen. Dies tun sie auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Mitteln. Wie beispielsweise die Massenproteste gegen Zwangsräumungen in Spanien, die Gelbwesten und die Bewegung gegen die Arbeitsrechtsverschärfung in Frankreich, die Proteste gegen den G20 Gipfel oder die Proteste gegen die Polizeiaufgabengesetze in Deutschland, der Widerstand gegen die faschistioden Regierungen in Österreich und Italien oder der aktuelle Widerstand gegen die reaktionäre Offensive in Exarchia, Athen. All dieses Aufkeimen von Widerstand, Sozialen Kämpfen und teils aufständischen Momenten hat den Herrschenden einen Hauch dessen gezeigt, wozu wir vereint und entschlossen fähig werden. Und hat sie sofort in eine Abwehrhaltung gehen lassen und nun versuchen sie durch die Verschärfung der bestehenden katastrophalen Zustände sich zu schützen. Doch einen erneuten Faschismus wie er (meiner Meinung nach) in Teilen der Welt droht, werden wir nicht zulassen! Alle zusammen gegen den Faschismus!
Sie können uns – egal ob schuldig oder nicht – in ihre Knäste sperren.
Sie können versuchen uns einzuschüchtern, sie können versuchen uns zu brechen aber niemals werden sie uns unseren Drang nach bedingungsloser Freiheit und unsere Ideen für eine bessere, befreite Gesellschaft nehmen können!
Nun möchte ich aber zu einer Beschreibung weitergehen wie auf mich das französische Knastsystem wirkt und wie der Knast von innen her aufgebaut ist.
Nur vorab: das ist eine persönliche Wahrnehmung und was ich gehört habe sind die französischen Knäste durchaus unterschiedlich strukturiert. Der Knast indem ich sitze ist in mehrere Teile untergliedert. Jeder der (hier sind ausschließlich Männer inhaftiert) hier ankommt und keine besonders hohe Sicherheitseinstufung hat, kommt die ersten 10 Tage seines Aufenthaltes in den „Beurteilungstrakt“. Hier werden die erste 10 Tage das Benehmen und Auftreten des Häftlings analysiert und dokumentiert. Während dieser 10 Tage muss ein Gespräch mit einer Sozialarbeiter*in und der/dem Abteilungsleiter+in geführt werden. Auch wird bei diesen Gesprächen die Kooperationsbereitschaft und wiederum das Auftreten begutachtet. Diese Analyse und Dokumentation entscheiden am Ende darüber wohin der Weg weitergeht im Knast. Dafür gibt es 2 Möglichkeiten. Der „normale“ Vollzug, wo den ganzen Tag Einschluss ist und wo man nur 1-2h zum Hofgang die Zelle verlassen darf. Gleiches System herrscht übrigens auch im „Willkommenstrakt“. Ich befinde mich im gelockerten Vollzug, diesen werde ich im Folgenden näher beleuchten und kritisieren. Für diesen Trakt muss man eine Bewerbung schreiben und man bekommt im „Willkommenstrakt“ perverserweise eine werbeähnliche Broschüre. Ich bin aufgrund meines jungen Alters hier, da ich der jüngste Häftling des Knastes bin. Der Teil hier ist angepriesen mit dem Namen „Respecto“, indem ein „respektvolles Miteinander in angenehmer Atmosphäre“ möglich sein soll. Die Realität ist, dass das Leben an strengste Regeln und Verhaltensvorschriften gebunden ist und die ganze Zeit eine Furcht vor Verstößen gegen den Aufzwang der bürgerlichen Regeln bei den meisten Häftlingen herrscht. Auf diese Regeln werde ich im Folgenden näher eingehen. Im Grundsatz herrscht hier ein sogenanntes 5-Punkte-System. Jeder Punkt steht für einen Regelverstoß, wenn der letzte Punkt weg ist erfolgt die sofortige Verlegung in den „gewöhnlichen“ Vollzug. Ein Regelverstoß ist schon etwas komplett lächerliches. Dafür gibt es einen Regelkatalog. Ein paar Beispiele werde ich im Folgenden nennen:
Wenn bei der täglichen Zellenkontrolle das Bett nicht gemacht ist, ist ein Punkt weg.
Wenn die Wärter sehen das Wäsche auf den Gitterstäben vor den Fenstern getrocknet wird, ist ein Punkt weg.
Wenn man eine Kippe auf den Boden wirft, ist ein Punkt weg.
Also alles richtig lächerliche „Verstöße“ und der Versuch des Aufzwangs einer bürgerlichen Leitkultur.
Bei „härteren Verstößen“ wie Drogenbesitz, Gewalt oder Telefonbesitz erfoltgt die sofortige Ausweisung. Das alles liegt natürlich in den Händen der willkürlichen Wärter. Was dagegen der Vorteil in diesem Trakt ist, das man sich innerhalb dieses Gefängnisteils, zwischen 7 – 12 und 13 – 18 „frei“ bewegen kann. Beispielsweise gibt es einen Sportraum, eine Bibliothek und einige Tischtennisplatten. Im Außenbereich gibt es zwei Höfe mit Sitzgelegenheiten, Klimmzugstangen und ebenfalls Tischtennisplatten. Jeder Millimeter außerhalb der Zellen ist natürlich videoüberwacht. Dann zum weiteren Beweis dafür, dass das Ziel ist die Häftlinge in diesem Trakt möglich in ein Leben nach der bergürlichen Leitkultur reinzupressen ist, das man einen sogenannten „Aktivitätsplan“ mit mindestens 30 Stunden Beschäftigung die Woche nachweisen muss. Dieser wird – nach Erstellung – vom Abteilungsleiter überprüft und dann laufend von den Wärtern stichprobenartig überprüft. Da das Schlafen tagsüber strengstens verboten ist, machen die Wärter 2-3 x Zellenkontrollen und ziehen denjenigen Punkte ab die schlafen. Wenn man dann noch in der Zelle ist obwohl man bei einer Aktivität sein sollte, gibt es doppelten Punktabzug. Das „respektvolle Miteinander in angenehmer Atmosphäre“ sollte nach meinen kurzen Ausführungen auch für den Letzten, der an den bürgerlichen „Rechtsstaat“ glaubt, widerlegt sein.
Im Folgenden werde ich noch ein paar allgemeine Infos zu den Wärtern, dem Essen und dem Gefängnis an sich geben. Zuerst zu dem Verhalten der Wärter:
Dabei ist besonders darauf einzugehen, das mir aufgefallen ist, dass das Verhalten nicht durchweg das gleiche ist. Es gibt immer Gruppen die gemeinsam Schicht haben. Unter diesen gibt es wiederum Gruppen die sich als „Freunde“ und „nette“ Cops versuchen zu profilieren und aufgepumpte, arrogante, Gelfrisurentragende Gruppen, die uns ganz offensichtlich als Abschaum betrachten. Es gibt natürlich in beiden wachhabenden Gruppen auch Gegenbeispiele aber auch die nach außen wirkend „netten“ Feinde sind nach meinen Erfahrungen natürlich ziemlich hinterhältig und sobald sie wissen das sie es mit einer Zecke zu tun haben noch ablehnender. Das lassen sie dann auch durch ihnen mögliche Schikanen raus. Beispielsweise hat sich das bei den Zellenbelegungen gezeigt. Obwohl es offensichtlich möglich gewesen wäre mich mit einer englischsprachigen Person in eine Zelle zu stecken, haben sie mich mit jemandem inhaftiert mit dem ich mich gar nicht verständigen kann. Auch im Alltag zeigt sich die Feindschaft einzelner Wärter wie sich beispielsweise bei der Essensausgabe zeigt. Ein guter Punkt um zu meinem nächsten Punkt, dem Essen, weiter zugehen. Es gibt für den gesamten Knast das gleiche Essen. Das wird 2 x täglich (mittags und abends) auf ein Tablett geklatscht. Warum es kein Frühstück gibt, darauf ich werde ich später eingehen. Die Qualität des Essen passt im Großen und Ganzen für Knastfraß.
Man darf auf jeden Fall keine hohen Ansprüche haben aber es gibt Länder in Europa in denen der Knastfraß deutlich widerlicher ist, was ich so gehört habe. Warum es nur 2 x am Tag essen gibt liegt daran, das der Knast versucht, dass die Leute möglichst viel möglichst viel auf Geld angewiesen sind und das sie möglichst schnell arbeiten gehen müssen um sich finanzieren zu können. Zum Beispiel gibt es auch kein Wasser aus dem Hahn was man trinken könnte (es schmeckt total nach Chlor). Trinkwasser muss man sich also kaufen. Das leitet auch ganz zum meinem vorerst letzten Punkt über, den Knast an sich:
Der Knast indem ich sitze ist meines Wissens nach privat. Wie in ganz vielen anderen Knästen ist auch dieser eine Fabrik mit hunderten Halbsklaven, die ohne wenn und aber ausgebeutet werden können. Insgesamt sitzen in dem Knast 800 Insassen, wie viele genau davon arbeiten gehen weiß ich nicht aber es sind auf jeden Fall sehr viele. Der Hauptarbeitgeber ist eine Marmeladen- und Nutellafabrik innerhalb der Mauern. Daneben werden natürlich auch alle anderen anfallenden Aufgaben (Reinigung, Putzen, Kantine, Wäscherei, Bibliothek usw) von Häftlingen übernommen. Sobald man hier ankommt versuchen auch alle offiziellen Stellen einen möglichst schnell Arbeit zu zuweisen, natürlich immer mit der Begründung, das wirke sich gut auf die frühere Entlassung aus. Der Knast schreibt auf jeden Fall immer sehr gute Zahlen, auch deswegen weil der französische Staat gut blecht pro Häftling und die Ausbeutung der Inhaftierten dann hauptsächlich Profit ist. Ich hoffe ich konnte euch durch diesen zweiten offenen Brief ein wenig die Situation aus meinen Augen heraus nahelegen und ihr habt einen kleinen Einblick in das tägliche Leben hinter Gittern und Stacheldraht bekommen. Ich möchte mich aber außerdem mit diesem Text bei allen da draußen bedanken die uns und alle Gefangenen in den Knästen des wahnsinnigen Systems unterstützen und den Menschen hinter Mauern Kraft um weiterzumachen und eine Perspektive am Ende des Tunnels geben. Ich kann nur von mir berichten und von meinen Mitgefangenen. Die ganze Post die uns erreicht und die Solidarität die aus allen Ecken zu uns stößt hält unsere Herzen am brennen und gibt uns auch an den dunkelsten Tagen die nötige Kraft unseren Hass sinnvoll einzusetzen und weiter zu kämpfen!
Ob hinter den Mauern oder draußen:
Krieg dem herrschenden System,
niemand wird frei sein solange auch nur eine*R eingesperrt ist.
Wir werden nicht jammern, wir werden nicht betteln;
das sind einfach unsere Feinde und so behandeln sie uns eben.
Egal ob aus Sicht des bürgerlichen Staates schuldig oder unschuldig;
tot den Knästen und dem großen Gefängnis da draußen
Es lebe die befreite Gesellschaft!
Es lebe die Anarchie!
Freiheit für die 3 von der Parkbank!
Freiheit für alle Gefangenen!
quelle: indymedia
Ein von den Hausdurchsuchungen im Juli betroffenes Hausprojekt soldidarisiert sich:
Jul. 2019 Hausdurchsuchung in Wilhelmsburg
Im Juli diesen Jahres sind circa sieben Polizisten in unser Hausprojekt in Hamburg-Wilhelmsburg eingedrungen. Dabei stürmten sie mit zum Teil gezogenen Waffen eine Wohnung des Hauses und verschufen sich Zutritt zu allen Räumen der Wohnung. Obwohl nach der Personalienfeststellung klar war, dass die von ihnen gesuchte Person nicht in der Wohnung lebt, wurden alle Bewohner*innen der Wohnung in ihren Zimmern festgehalten und voneinander abgeschirmt. Die Polizisten agierten aggressiv und verweigerten den Betroffenen grundlegende Rechte, wie den Kontakt zu eine*r Anwält*in oder die rechtmäßige Bezeugung der Durchsuchung. Außerdem wurden die in ihren Zimmern festgehaltenen Bewohner*innen und die gesamte Wohnung abgefilmt. In diesem Zusammenhang solidarisieren wir uns mit allen Betroffenen von Repression und polizeilicher Willkür, außerdem mit allen Genoss*innen in Haft und aus aktuellem Anlaß besonders mit den 3 von der Parkbank!
quelle: de.indymedia.org
Rote Hilfe Bundesvorstand veröffentlichte am 07.10.19: Drei Monate sind drei Monate zu viel: Freiheit für die „drei von der Parkbank“!
Seit nunmehr genau drei Monaten sitzen in Hamburg zwei linke Aktivisten unter dem Vorwurf im Gefängnis, brennbare Flüssigkeit bei sich getragen zu haben, woraus die Staatsanwaltschaft die Vorbereitung einer Brandstiftung konstruiert. Der Haftbefehl gegen die dritte Genossin, die gemeinsam mit ihnen festgenommen worden war, wurde gegen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Als Superwaffe der Repressionsorgane dient erneut der Bezug zum G20-Gipfel in Hamburg, der in den vergangenen Jahren regelmäßig als Begründung für die unsäglichsten Kriminalisierungsmaßnahmen herhalten muss.
Die drei Linken waren am 8. Juli 2019 in einer Hamburger Grünanlage auf einer Parkbank verhaftet worden, was den Auftakt zu einer brutalen nächtlichen Duchsuchungswelle in verschiedenen Stadtteilen bildete. Die eingesetzten Polizeikräfte traten Wohnungstüren ein und demolierten Einrichtungsgegenstände, und die von der Razzia Betroffenen wurden teilweise mit vorgehaltener Waffe aus den Betten geholt. Die „drei von der Parkbank“ wurden zwei Tage später dem Haftrichter vorgeführt, der gegen zwei Aktivisten unter Missachtung jeder Verhältnismäßigkeit Untersuchungshaft anordnete; sie werden seitdem in der JVA Holstenglacis festgehalten.
Wie in vielen weiteren absurden Repressionsschlägen der letzten Jahre nutzen Polizei und Justiz den G20-Gipfel, der 2017 in Hamburg stattfand, als Grundlage. Konkret wird behauptet, die drei Aktivist*innen hätten einen Brandanschlag zum zweiten Jahrestag geplant. Dass die Generalstaatsanwalt das Verfahren an sich gezogen hat, die sich nur mit besonders schweren Vorwürfen wie z.B. nach dem „Antiterrorparagrafen“ 129b befasst, zeigt, dass hier ein Exempel statuiert und linker Widerstand pauschal kriminalisiert werden soll.
„Es ist unerträglich, wie die Repressionsorgane nunmehr seit Jahren unter Verweis auf den G20-Gipfel Grundrechte außer Kraft setzen, Rechtsbrüche zum Standard erheben und alltägliche Gesetzesverstöße als Anlass für Massenkriminalisierung benutzen. Schon vor und während des Treffens der Staatschef*innen im Juli 2017 hatten Polizei und Justiz rechtliche Mindeststandards mit Füßen getreten; die widerrechtliche Räumung der Camps, die lebensgefährlichen Polizeiangriffe auf Demonstrant*innen, die menschenverachtende Behandlung von Festgenommenen und der Ausschluss von unbequemen Pressevertreter*innen sind nur wenige Beispiele. Seitdem wurde unter Verweis auf die Gipfelproteste ein Experimentierfeld der Verfolgung linker Meinungen und Politik eröffnet: von Zensur in Form des Verbots der Internetplattform linksunten.indymedia.org über den ‚Internetpranger‘, mit dem die Polizei Verdächtige vorverurteilte und zur öffentlichen Hetzjagd freigab, bis hin zu grotesken Prozessen wie dem gegen den jungen Globalisierungsgegner Fabio, dessen Schuld darin bestand, sich um verletzte Mitdemonstrant*innen gekümmert zu haben, anstatt sich vom Ort des Geschehens zu entfernen“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.
„Der laufende Prozess gegen den ebenfalls in Hamburg inhaftierten französischen Aktivisten Loïc und die vier Genossen aus dem Raum Frankfurt sowie das anstehende Rondenbarg-Verfahren setzen diese Kontinuität ebenso fort wie die Kriminalisierung der drei von der Parkbank. Wir fordern die sofortige Freilassung der gefangenen Gipfelgegner und die Einstellung aller noch laufenden Verfahren. Die Rote Hilfe e.V. steht solidarisch an der Seite aller Betroffenen.“
quelle: rote-hilfe.de
Das Plenum der Roten Flora veröffentlicht am 31.07. eine Stellungnahme zur Repression rund um den G20-Gipfel und der Verhaftung der 3 Gefährt*innen von der Parkbank:
Bereits seit einigen Jahren dürfen wir (nicht nur) in Hamburg Exzessen der Macht beiwohnen. Die Herrschenden gehen mit ihren Kritiker_innen und anderen zu bekämpfenden Randständigen hart ins Gericht.
Das zeigt sich im engen Zusammenspiel der „getrennten“ Gewalten. Die Politik räumt der Polizei immer größere Spielräume ein. Diese schöpft sie nicht nur voll aus, sondern lässt sich im Zweifelsfall überhaupt nicht durch Gesetze bremsen. Denn gerade in Hamburg kann sich die Polizei sicher sein, dass niemand ihre Kompetenzen überprüft. Und falls dann doch einmal Gerichte nach Jahren nicht gesetzeskonformes Verhalten feststellen, ändert dies rein gar nichts. Nicht für die weitere Praxis und erst recht nicht als Konsequenzen für die persönlich verantwortlichen Beamtinnen (sofern man Beförderungen außer acht lässt).
Exzesse der Macht oder Grillen im Park
Getroffen hat es Einige – gemeint sind wird Alle!
Bereits seit einigen Jahren dürfen wir (nicht nur) in Hamburg Exzessen der Macht beiwohnen. Die Herrschenden gehen mit ihren Kritiker_innen und anderen zu bekämpfenden Randständigen hart ins Gericht.
Das zeigt sich im engen Zusammenspiel der „getrennten“ Gewalten. Die Politik räumt der Polizei immer größere Spielräume ein. Diese schöpft sie nicht nur voll aus, sondern lässt sich im Zweifelsfall überhaupt nicht durch Gesetze bremsen. Denn gerade in Hamburg kann sich die Polizei sicher sein, dass niemand ihre Kompetenzen überprüft. Und falls dann doch einmal Gerichte nach Jahren nicht gesetzeskonformes Verhalten feststellen, ändert dies rein gar nichts. Nicht für die weitere Praxis und erst recht nicht als Konsequenzen für die persönlich verantwortlichen Beamtinnen (sofern man Beförderungen außer acht lässt).
Zum Beleg dieser Entwicklung sei auf folgenden vergangene Ereignisse verwiesen. Die Zerschlagung der Demo für den Erhalt der Flora, der Esso-Häuser und für die Lampedusa Gruppe in Hamburg am 21. Dezember 2013, der Einsatz der diversen verdeckten Ermittler_innen, der Angriff auf die ‚Welcome to Hell‘-Demonstration oder die Camps oder unzählige verletzte Menschen auf Hamburgs Straßen beim G20 Gipfel 2017. Das Ende dieses Lieds: Olaf „Hafengeburtstag“ Scholz rief die „unabhängige“ Justiz dazu auf, mit aller Härte gegen Straftäter_innen vorzugehen. Und so kam es.
Erinnert sei an den geplatzten Prozess gegen unseren Genossen Fabio mit seinen „schädlichen Neigungen“. Fast 5 Monate musste dieser für die Teilname an einer nicht genehmen Demonstration in Untersuchungshaft sitzen. Vorwurf: Teilname an dieser Demonstration. Individuelle Vorwürfe: keine. Kollektiv wird dem gesamten Aufzug – neben einer beschädigten Bushaltestelle – das Werfen von vierzehn Gegenständen in Richtung der angreifenden Polizei angekreidet. Im Geiste dieser Logik handelt es sich auch nicht mehr um eine Demonstration sondern um eine gesamtschuldnerisch auftretende Verabredung von Gewalttäter_innen. Und das denkt die „unabhängige“ Justiz konsequent zu Ende.
Diese Phantasie des Rechtsstaats geht uns alle an. In den nächsten Wochen sollen circa 100 Leute vor Gericht gebracht werden, denen man vorwirft im Juli 2017 mitgegangen zu sein. Ein kompletter Demozug wurde am frühen Morgen erst zusammengeschlagen und jetzt sollen alle, die ergriffen wurden, noch ein zweites mal vor Gericht die Fresse poliert bekommen.
Der Staat agiert maßlos. Angesichts des Kontrollverlusts über den aus den Fugen geratenen Gipfels, dessen Veranstaltung im Herzen Hamburgs an sich schon eine überhebliche Anmaßung war, wird mit großer Hybris gegen alle vorgegangen, die man kriminalisieren kann. Mit dem Mittel der Öffentlichkeitsfahndung, sonst vorgesehen für Kapitalverbrechen, wurden kaugummi-entwendende Teenager über die Medien gejagt und bloßgestellt.
Hunderte Bilder wurden in für öffentliche Fahndung nach „schwersten Straftäter_innen“ veröffentlicht. Im Allgemeinen stellte sich heraus: den Betroffenen wurde neben dem vermeintlichen Werfen von Gegenständen oder der Beteiligung an diversen Räumungschlussverkäufen ohne Bezahlung, die schlichte Teilnahme an einigen exemplarisch herausgegriffenen Demonstrationen vorgeworfen. Schwerste Straftaten sind offensichtlich eine Frage der Perspektive.
Und Perspektiven ändern sich. So auch die Sicht des bürgerlichen Rechtsstaates auf sich selbst. Anstatt für tatsächlichen Schaden interessiert sich dieser zunehmend für potentielle Straftäter_innen, Gefährder_innen und gefährliche Orte (Gefahrengebiete). So wurde erst die Vermummung auf Demonstrationen zur Straftat erklärt, nun wird Menschen schon das Mitführen von zur Vermummung geeigneten Materialien zum Nachteil ausgelegt. Der neueste Schrei sind Wechselklamotten.
Eine weitere Eskalationsstufe zeigte sich Anfang Juli mit der Festnahme dreier Genoss_innen in einem Hamburger Park.
Das Mitführen von Feuerzeugen und brennbarer Flüssigkeit, frei verkäufliche Gegenstände, die ohne Einschränkung in den Verkehr gebracht werden können, reichten für die Anordnung von Untersuchungshaft, weil ihnen jetzt wohl auch „schädliche Neigungen“ nachgesagt werden.
Aufgrund der offensichtlichen Observation der drei Gefährt_innen von der Parkbank durch den politische Staatsschutz, gerieten sie am 8. Juli in eine „zufällige“ Polizeikontrolle.
Was wird ihnen vorgeworfen?
Die Phantasie der Staatsanwaltschaft, was sie nicht vielleicht hätten machen können und vorgehabt haben mit diesen Dingen, brockte den Gefährt_innen die Festnahme und die Durchsuchung mehrerer mit ihnen in Verbindung gebrachter Wohnungen in der selben Nacht ein.
Zwei sitzen immer noch in Untersuchungshaft und ihre Post wird ihnen von der Knastzensur nur schleppend zugestellt. (Schreibt ihnen trotzdem!).
Ohne die von staatlicher Stelle unterstellten „schädliche Neigungen“ wären sie sicherlich nicht dort gelandet. Kern der Vorwürfe ist somit wohl eher ihre offene Opposition zu dieser Gesellschaft, ihr Kampf für eine andere, freiere Welt. So rechtfertigt der Staat sowohl seinen Überwachungsaufwand als auch das angezielte Strafmaß der „unabhängigen“ Justiz.
Stellen wir uns gemeinsam den Kontrollphantasien dieses Staates entgegen!
Der G20 in Hamburg, das „Festival der Demokratie“, war ein gutes Beispiel für die Prioritäten der Herrschenden: Die Mächtigen schützen und alle Formen unangepassten Opposition mit Verachtung und Gewalt begegnen.
So werden wir alle, die wir für die Freiheit und das Leben aufbegehren, zu Zielen dieses repressiven Staates. Ein Staat, der an vielen Fronten Materialschlachten gegen marginalisierte Teile dieser Gesellschaft führt.
Wir lassen uns nicht von diesem Terror brechen.
Für einen solidarischen Umgang mit den von Repression Betroffenen!
Gemeint sind wir Alle und nur gemeinsam können wir diese Aggression zurückweisen!
Solidarität mit den 3 Gefährt_innen von der Parkbank und allen G20-Gefangenen!
Wir haben Alle schädliche Neigungen.
Plenum der Roten Flora
Juli 2019
Autonome und stadtpolitische Aktivist*innen veröffentlichen am 19.07. auf de.indymedia folgende Stellungnehme zusammen mit einem Aufruf zur Demo am 22.07.:
[G20 HH] Solidarität mit allen Betroffenen von politischer Repression – für radikale Gesellschaftsperspektiven
Am 8. Juli wurden in Hamburg Drei von der Parkbank weg festgenommen. Im Anschluss fanden Durchsuchungen an mehreren Orten statt. Zwei Personen befinden sich aktuell noch in Untersuchungshaft. Die polizeiliche Maßnahme war laut Hamburger Abendblatt ein Ergebnis von Observationstätigkeiten rund um den Jahrestag der Proteste gegen den G20 Gipfel. Den Betroffenen wird keine konkret verübte Straftat vorgeworfen, sondern aufgrund präparierter Plastikflaschen mit brennbarer Flüssigkeit eine solche möglicherweise im Sinn gehabt zu haben.
Am Montag den 22.7. um 19 Uhr wird vom Centro Sociale eine Demonstration zum Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis ziehen. Wir rufen die gesamte Breite jener Bewegungen, die an den Protesten gegen den G20 Gipfel teilgenommen haben, dazu auf, an der Demonstration teilzunehmen, selbst dafür zu mobilisieren und weitere Solidarität zu entwickeln.
Die Festnahmen sind die Fortführung der massiven Repressionen nach G20. Bereits der Gipfel selbst in Hamburg war geprägt von Polizeigewalt, aber auch von Protest und Widerstand in den Straßen der Stadt. Wir distanzieren uns in diesem Zusammenhang von nichts. Die Auseinandersetzungen in Hamburg waren ein Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse und Konflikte.
Sie gilt es aufzugreifen, Kritik weiterzuentwickeln und zugrundeliegenden Gewaltverhältnisse zu überwinden. Wohnungslosigkeit, Armut, Ausgrenzungserfahrungen oder Polizeigewalt sind die Dinge, über die wir in unseren Zentren oder Stadtteilversammlungen sprechen und die uns bewegen.
Nach einer für Politik und Polizei katastrophalen Bilanz der Gipfeltage befinden sie sich nun auf einem Rachefeldzug. Die Soko Schwarzer Block wurde hierzu als politisches Instrument eingerichtet. Ziel war eine möglichst hohe Zahl an Ermittlungsverfahren als Vergeltung und präventive Abschreckung. Die anhaltenden öffentlichen Fotofahndungen sind ebenso Ausdruck davon, wie auch die hohen Strafurteile in Prozessen oder Drohungen gegen linke Zentren und stadtpolitische Projekte.
Die große Zahl an Ermittlungsverfahren resultiert aus oft absurden Ermittlungskonstrukten. Während Polizeigewalt bis heute verleugnet wird, wurden Betroffene von dieser mit vagen Vorwürfen und auch offensichtlichen Lügen teilweise monatelang in Untersuchungshaft gehalten. Rechte von Betroffenen werden systematisch ausgehebelt und die Ermittlungen selbst werden zum Strafinstrument und Teil einer autoritären Inszenierung.
Der Protest gegen den G20 Gipfel hatte eine globale Dimension. Migration, Landraub, Ausbeutung, Klimawandel und Kriege sind die Themen, die uns bewegt haben und weiterhin bewegen. Der Macht und Gewalt, mit der diese Verhältnisse aufrecht erhalten werden, setzen soziale Bewegungen ihren Widerstand entgegen.
Die Repression nach dem Gipfel ist Teil einer autoritären Strategie, die politische Dimension der Ereignisse auszublenden und unsichtbar zu machen – hier folgt sie dem gegenwärtigen Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft. Zu diesem Zweck verschwinden Menschen in Gefängnissen, zu diesem Zweck werden Distanzierungen eingefordert und Aktivist*innen und Proteste dämonisiert. Wir widersetzen uns diesen Angriffen auf das Politische, indem wir die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Thema machen und in Frage stellen und den Menschen, ihren Lebensverhältnissen und Kämpfen Sichtbarkeit verleihen. Im Knast oder draußen, ob schuldig oder nicht.
Wir haben dabei keine gemeinsame Antworten oder vorgefertigte Utopien. Protest auf den Straßen war und ist eine Verdichtung von Unterschiedlichkeiten, geprägt von vielfältigen Erfahrungen mit unterschiedlichen Praktiken, Zielen und politischen Selbstermächtigungen. Bisweilen auch von Streit und Differenz. Eines ist aber klar: Diese Welt geht unter und der alles durchdringende Kapitalismus ist kein Teil einer Lösung, sondern Teil dessen, das es zu überwinden gilt. Ohne radikale Kritik, neue Ideen, Aufbrüche und gesellschaftliche Reibung wird es keine bessere Welt, kein anderes Ganzes geben.
Unsere Solidarität gilt nicht den Waren und Sachwerten, sondern den Menschen. Jenen, die weltweit von Repression betroffenen sind, sich mit dem vorgegebenem Leben vor Ort nicht abfinden wollen, sich auf den Weg machen, Grenzen überwinden oder gemeinsam Widerstand entwickeln. Wir sind ein Teil davon.
Alle müssen raus!
Autonome und stadtpolitische Aktivist*innen
Die Ortsgruppe Hamburg der Roten Hilfe veröffentlicht am 24.07. auf de.indymedia.org einen Analysentext zum Zusammenhang der Festnahmen der 3 Gefährt*innen:
Zufälliger Schwerpunkteinsatz des Staatsschutzes im Park?
In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli wurden im Rahmen eines Einsatzes des Staatsschutzes drei Genoss*innen wegen des Verdachts, Brandstiftungen vorbereitet zu haben, festgenommen.
In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli wurden im Rahmen eines Einsatzes des Staatsschutzes drei Genoss*innen wegen des Verdachts, Brandstiftungen vorbereitet zu haben, festgenommen. Die drei waren in einem Park im Stadtteil Eimsbüttel unterwegs und wurden kontrolliert, weil sie dem Staatsschutztrupp angeblich verdächtig erschienen. Laut Cops seien dann bei ihnen mehrere Brandsätze gefunden worden. Deshalb wurden sie festgenommen und anschließend Haftbefehle erlassen, so dass sich jetzt zwei Betroffene in U-Haft befinden. Nur gegen eine*n Betroffene ist der Haftbefehl ausgesetzt worden. Noch in derselben Nacht fanden Hausdurchsuchungen in mehreren Hamburger Wohnungen statt.
Dass sich die Staatsschutz-Schergen rein zufällig zu diesem Zeitpunkt in dem Park herumtrieben, ist allerdings schwer zu glauben. Es ist eher
davon auszugehen, dass die drei bereits im Vorfeld überwacht wurden. Die Erfahrung zeigt, dass es vermutlich noch weitere Ermittlungen gibt und geben wird. Es ist auf jeden Fall davon auszugehen, dass weitere
Personen überwacht und observiert werden und es ggf. auch weitere Hausdurchsuchungen geben wird.
Deshalb: Räumt eure Buden auf und beteiligt euch nicht an Spekulationen über mögliche Hintergründe und Zusammenhänge!
Lasst euch nicht einschüchtern und lasst die Betroffenen nicht alleine!
Wir sind an eurer Seite.
Solidarische Grüße an „Die drei von der Parkbank“ und alle weiteren Menschen, die von den Repressalien betroffen sind!
Staatsschutz und Verfassungsschutz raus aus den Gebüschen!
Am 18. Juli erschien folgender Demo-Aufruf auf unitedwestand.blackblogs.org/
Demo: Solidarität mit den Dreien von der Parkbank
In der Nacht auf den 8.7.19 wurden drei unserer Genoss_innen festgenommen und daraufhin mehrere Wohnungen in St.Georg und Wilhelmsburg durchsucht. Nach der ersten Haftprüfung sitzen zwei weiterhin in U-Haft, die dritte Person kam gegen Auflagen frei.
Laut Presse wird ihnen die Vorbereitung einer Brandstiftung im Zusammenhang mit dem 2. Jahrestag des G-20 Gipfels 2017 in Hamburg vorgeworfen. Kommende Woche steht eine weitere Haftprüfung an. Um den Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind und wir hinter ihnen stehen, wollen wir mit euch am Montag, den 22.7. um 19 Uhr vom Centro Sociale (Sternstraße) durch das Karoviertel zum U-Haft-Knast Holstenglacis ziehen.