Gegen das Warten – Sonderausgabe August 2019

Gegen das Warten – Anarchistische Zeitschrift aus Hamburg

Sonderausgabe, August 2019

In dieser Sonderausgabe:

  • Infos zu den drei von der Parkbank
  • Solidarität
  • Lasst uns über Angrif reden
  • Chronik der Solidarität mit den drei von der Parkbank

Editorial zur Sonderausgabe

Vor euch habt ihr die erste Sonderausgabe der Gegen das Warten, einem anarchistischen Monatsblatt aus Hamburg! Aus aktuellem Anlass und da sich mit Ideen und Ausführungen zu diesem Thema ganze Bände füllen ließen, haben wir uns dazu entschieden eine Ausgabe zu veröffentlichen, die sich speziell mit Knast und Repression beschäftigt.

Oben genannter Anlass ist die Verhaftung von 3 Mitstreiter*innen in der Nacht auf den 08.07.2019 in Hamburg. Zwei von ihnen befinden sich bis zum Redaktionsschluss (also nun seit mehr als 3 Wochen) noch in Untersuchungshaft. Den dreien – für die sich in Solidaritätsbekundungen der Name „Die 3 von der Parkbank“ etabliert hat – wird laut Presse die Vorbereitung einer Brandstiftung vorgeworfen.

Wenn ein Mensch in die Fänge der Justiz gerät und eingesperrt wird bedeutet dies oft Isolation, Gefühle von Ohnmacht und Verzweiflung. Der Freiheit beraubt, in eine kleine Zelle gesperrt, in einen völlig fremdbestimmten Tagesablauf gezwängt und dem früheren Umfeld entrissen ist es meist ein Kampf, sich die Würde und das Mensch-sein zu bewahren. Jeder Austausch von Gedanken und Gefühlen mit und unter Gefangenen wird kontrolliert, reguliert und entfremdet.

Bei allem Verständnis kann dieses Gefühl der Ohnmacht jedoch trügerisch sein. Wir müssen den Verhältnissen und der Repression, die uns und anderen widerfährt, nicht untätig gegenüber stehen. Deshalb findet ihr in dieser Ausgabe neben einer Chronik mit Taten in Solidarität mit den 3 Mitstreiter*innen und einem Aufruf zu unterstützen und Briefe zu schreiben auch einen Text, der die Notwendigkeit und Legitimität des Angriffs anspricht. Viel Spaß beim Lesen!

Für das Gefängnissystem sind Gefangene nur eine Akte in der Kartei. Wer den vorgegebenen Rahmen aus „Rechten“ und Pflichten in Form von Gesetzen aus Sicht des Staates zu weit überschreitet, hat demnach den Anspruch verwirkt, sich frei zu bewegen und muss bestraft werden.

Wir weisen diese Logik von Strafe und die aufgezwungenen Kategorien von Schuld und Unschuld entschieden zurück. Wir schenken ihrem Gelaber von „Resozialisierung“ und Gerechtigkeit keine Beachtung. Auch glauben wir nicht daran, dass in einer Welt, in der Knäste existieren, überhaupt irgendjemand frei sein kann. Deswegen:

Solidarität mit allen von Repression Betroffenen!

 

Solidarität

Seit 3 Wochen sind nun die zwei von der Parkbank schon im Knast. Die dritte Person wurde unter Auflagen entlassen. Die Mitstreiter wurden ihrem Alltag entrissen und werden von ihrem Umfeld vermisst. Mit dem Wegsperren von Gefährt*innen werden uns aber nicht nur Menschen weggenommen, sondern auch unsere Ideen und Kämpfe angegriffen.

Für uns bedeutet Solidarität das Weiterführen von Kämpfen, das Unterstützen von Gefangenen, das Verbreiten von der angeklagten Tat und vielem mehr…

Verbreiten wir die Idee der Freiheit und Anarchie, lassen wir unsere Kompliz*innen im Kampf gegen den Knast und eine Gesellschaft, die auf ein System der Einsperrung aufbaut, nicht alleine. Greifen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten an, bis jeder Knast dem Erdboden gleich gemacht ist.

Falls ihr den Mitstreiter*innen Briefe schreiben wollt:

Libertäres Zentrum
Karolinenstraße 21 (Hinterhaus)
20357 Hamburg
Stichwort „Die Drei von der Parkbank“

(Benutzt als Absender*in ein Pseudonym, damit die Gefangenen eure Briefe beantworten können)

Auf dass unsere Solidarität keine Grenzen kennt… Für die Anarchie!

Lasst uns über Angrif reden

Der Staat hat ein berechtigtes Interesse daran, dass bestimmte Informationen über Ereignisse, denen eine Ablehnung jeder Herrschaft zu Grunde liegen, so wenig Öffentlichkeit wie möglich bekommen. Die Polizei kontrolliert den Informationsfluss, weil sie die Verbreitung von Feindlichkeiten und den aus ihr entstehenden Angriffen über ihre Kanäle (die Medien), verhindern will. Aber wenn wir ernsthaft diese Welt umwälzen wollen oder einfach nur nicht hinnehmen wollen und keine Komplizen dieses Elends, der Herrschaft, des Staates werden wollen, müssen wir über Angriffe reden

I

Angriffe sind Attacken gegen Äußerungen dieser Welt der Herrschaft. Gegen feste Strukturen wie Institutionen, Ämter, Gebäude, Infrastruktur, Kirchen, Gerichte, Regierungsgebäude, Knäste, Polizei, Ausbeutungsmaschinerie und Abschiebemaschine. Da aber diese ganzen Rädchen dieser Welt der Herrschaft nicht einfach so funktionieren, wohl oder übel auch gegen Personen, die sich dieser Ideologie zu Diensten stellen und ihre Rolle in der Aufrechterhaltung unserer Unterdrückung und der Verwaltung der Gesellschaftsorganisation übernehmen. Herrschaft besteht aber nicht nur aus physisch zerstörbaren Strukturen. Die Macht ist nicht ein Henker, der über uns thront und auf Vergehen gegen die Regeln der Herrschaft wartet. Macht ist eine Beziehung, sie ist das soziale Gewebe, das unsere Beziehungen untereinander ausmacht und bestimmt. Also müssen die Angriffe den Beziehungen zwischen uns und den Rollen gelten, die wir in ihnen annehmen, indem wir die Existenz von autonomen Individuen und ihren Willen behaupten. Aber auch all den Ideen, die diese Welt der Herrschaft funktionieren lassen, nämlich die Moral, Religion, Eigentum, die Wertung und Verurteilung von gut und schlecht und Abstraktionen, die sich als Wert außerhalb von uns selbst präsentieren. Auch wenn viele dieser Ideen eine tatsächliche Struktur benötigen um ihre Existenz uns aufzuzwingen und aus dem Grunde Bestand haben, weil alle sie akzeptieren und man selbst als jemand, der sie ablehnt, ihre Bedingungen somit annehmen muss, müssen Angriffe auf verschiedenen Ebenen vorbereitet werden. Die einen Ziele sind einfacher zu erkennen und klar sichtbar, welche Mittel angewendet werden müssen, bei anderen ist ein Feingefühl und Überlegung über das wie und wo von Nöten.

II

Ein Angriff unterbricht den normalen Ablauf eines Aspektes der Welt oder das von ihm abhängige Umfeld der Struktur, die angegangen wird. Ein Angriff erzeugt ein Loch und eröffnet einen Moment, einen Zeitraum oder ein Terrain für etwas Neues. Er kann die Möglichkeit öffnen plötzlich Zeit und Energie zu haben um sich mit etwas anderem auseinanderzusetzen, wo in einem Moment ohne Unterbrechung nur der Gedanke an die Arbeit und die Auslaugung an der Tagesordnung war. Oder ein großer Angriff in Form eines Aufstand kann eine Terrain von den Zwängen und Anforderungen der Herrschaft befreien und so für einen Moment das Experimentieren mit neuartigen Formen der Beziehungen ermöglichen. Ein Angriff kann aber auch nur ein kleiner Schnitt in das Fleisch der Normalität und der Routine sein in der wir täglich gefangen sind und dabei ein klein wenig Spannung erzeugen, eine Art Lichtblick sein oder der Notwendigkeit entsprechen überleben zu müssen und dabei nicht auf die von dieser Welt gepriesenen Rehabilitierungsangebote zurückzugreifen. Diese Welt spielt ein heuchlerisches Spiel. Einmal unterdrückt sie uns mit allen Mitteln und im Ausgleich, um uns darüber hinwegzutrösten, überschüttet sie uns mit Kompensationsangeboten. Der Weg seine Würde und Individualität zu behaupten führt darüber die Versöhnungsangebote auszuschlagen und mit voller Kraft anzugreifen.

III

Angriffe hinterlassen Spuren im Alltag. Sie hinterlassen Spuren, die denen, die auch jene Ablehnung empfinden jedoch noch nicht den Mut gefunden haben ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen, zeigen, dass die Welt voller anonymer Kompliz*innen im Kampf ist, niemand alleine ist. Und was noch wichtiger ist, dass uns diese Spuren und Erzählungen von Angriffen zeigen, dass diese Welt nicht unendlich ist, sie verändert werden kann, dass diese Möglichkeit immer da ist, egal wie ausweglos die Situation auch scheinen mag. Ein Angriff ist immer der Beginn einer Kommunikation, darüber wie man angreifen kann und welche Ziele es gibt. Ein Angriff ist ein Aufruf an alle, ebenfalls die Ärmel hochzukrempeln und auf ihre Weise zu revoltieren. In dem Sinne bleibt ein Angriff nie ein isolierter Akt, selbst wenn in den Medien seine Existenz nicht anerkannt wird. Er ist Teil eines Konflikts indem sich die Polizei und die Medien eindeutig auf der feindlichen Seite befinden und daher kann es nicht unser Ziel sein über dieses verzerrte und angepasste Medium der Presse dargestellt und beleuchtet zu werden. Denn damit geht nur die potentielle Kraft verloren, die in jedem Akt der Revolte steckt.Wieso sollte ich diese Ewigkeit warten wollen bis es endlich mal einen gibt, der frei von Sünde ist, damit er den ersten Stein auf mich wirft? Müsste nicht ich, als „Sündige*r“ und als „Schlechte*r“, den ersten Stein auf das werfen, das mich als Sündige*r brandmarken will?

– Text übernommen und gegendert aus der Fernweh Nr. 12, Dez. 2014


Chronik der Solidarität mit den drei von der Parkbank

Dies findet ihr ausführlicher auf dem Blog

 


Radiosendung in Solidarität mit den drei von der Parkbank