Glasbruch und Farbe gegen Architekturbüro

Glasbruch und Farbe gegen Architekturbüro

Bremen, 9. April 2020

Gestern Nacht wurde ein Büro von Knastprofiteur*innen in Bremen angegriffen!

„So viele sind hinter Gittern, die wir draußen brauchen.“

Scheiben kaputt und Büro eingesaut. Mit Nachdruck haben wir in der vergangenen Nacht den Architekt*innen von GSP gezeigt, was wir von Profiteur*innen des Knastsystems halten. Die GSP – Gerlach Schneider und Partner Architekten – werben auf ihrer Homepage mit dem Bau und der Modernisierung mehrerer Gefängnisse, unter anderem die JVA in Bremen und in Berlin-Tegel. Dafür sorgen, dass Menschen unter modernsten Sicherheitsvorkehrungen weggesperrt werden, das ist das Kerngeschäft der Architekt*innen von GSP. Dafür zu sorgen, dass ihre eigene Infrastruktur geschützt ist, das können sie offensichtlich nicht so gut.

„GSP steht für sinnhaftes und zeitgemäßes Bauen“

Der Knast, das geschlossene System par excellence, wirkt in der schönen smarten digitalen Welt, fast wie ein Relikt vergangener Jahrhunderte. Dennoch erfüllt das Gefängnis nach wie vor verschiedene Aspekte, die die Voraussetzung für eine kapitalistisch und autoritär strukturierte Gesellschaft bilden. Durch Einsperrung soll der Mensch isoliert, zugerichtet, diszipliniert und zur funktionsfähigen Arbeitskraft (re-)sozialisiert werden. Darüber hinaus haben diese Maßnahmen den Zweck die Menschen „draußen“ abzuschrecken und sie dazu anzuhalten, sich weiterhin selbst auszubeuten und oder ausbeuten zu lassen. In der Architektur eines Gefängnisses manifestiert sich der Versuch der totalen Überwachung und Disziplinierung des menschlichen Körpers.

Neue Methoden der digitalen Überwachung, der Kontrolle und der Bestrafung hingegen, sind wesentlich schwerer zu fassen, als die alten Feind*innen der antiautoritären Bewegung. Kameras, Drohnen, Tracking, Wareables, soziale Punktebewertung (wie in China), das Auswerten von Cookies, Apps und komplexe Datenanalysen verallgemeinern das System der Kontrolle außerhalb der Knastmauern. Sie vollziehen sich oft in für uns unsichtbaren Bereichen und begründen eine grundlegende Asymmetrie zwischen Überwacher*innen und Überwachten. Hinzu kommt, dass Menschen heute kaum noch ein Bedrohungsszenario benötigen um auf kommerzielles Profiling und Selbstdisziplinierung zurückzugreifen: Alleine und dabei ständig überwacht sein, das war einst ein Alptraum. Im 21. Jahrhundert ist dieser Zustand eine Verheißung geworden. Es ist immer jemand da, im kleinen schwarzen Kasten, der dich wahrnimmt und adressiert. Die Angst davor eingesperrt zu sein, wird abgelöst durch die Furcht vor der Ausgrenzung aus den (virtuellen) sozialen Blasen, was von vielen als schlimmste Bedrohung der existenziellen Sicherheit betrachtet wird.

Back to the roots

In der aktuellen Krisensituation können wir sehen, auf welchem Bein der Staat als Gewaltmonopolist aber immer noch am sichersten steht. All die warmen Worte, die Appelle an die Vernunft und die Aufrufe zur (völkisch begrenzten) Solidarität im Angesicht der Pandemie, werden untermauert durch massive Polizeikontrollen und den Einsatz des Militärs zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung. Gummigeschosse und Gefängnisse wirken auch im 21. Jahrhundert noch besser als jeder Algorithmus. Dieser Fakt, führt uns außerdem vor Augen, dass neue verfeinerte Methoden der Kontrolle nicht unbedingt die alten ablösen, sondern vielmehr die Arsenale erweitern. In diesem Sinne bleibt der Kampf gegen Knast und Einsperrung also wichtig, auch wenn sich die Welt draußen, immer mehr in Richtung Gefängnis entwickelt.

Gespannt blicken wir nach Italien, Frankreich, Spanien und Brasilien wo sich in vielen Knästen Revoltierende auflehnen und mit Unterstützung von außen gemeinsam gegen die unterdrückende Staatsmacht und die durch Quarantänemaßnahmen verschärften Bedingungen aufbegehren.

Auch in der Bremer JVA sind die Zustände desaströs und es herrscht Überbelegung. Zudem sind die ohnehin stark begrenzten Besuchszeiten nun komplett gestrichen und die Menschen demnach faktisch isoliert. Die Bremer Regierung reagiert auf die Pandemie mit dem Aussetzen von Ersatzfreiheitsstrafen und lässt Leute, die sowieso bald entlassen worden wären, früher raus. Spätestens bei solchen Maßnahmen können wir erkennen, welche Spielräume es gibt, wenn der “politische Wille“ da ist.

Wir begrüßen die Angriffe auf Knastprofiteur*innen, die im Zusammenhang mit dem Bau der Knäste in Zwickau, Leipzig, Glückstadt oder Basel stehen. Jenseits der staatlichen Visionen der totalen Überwachung zeigen solche Angriffe sehr anschaulich, dass kein System perfekt ist: Das Knastsystem, diese verstreute Infrastruktur, aus sich im Bau befindliche Vollzugsanstalten, bestehenden Knästen und profitierenden Firmen sowie ihren Büros, Fuhrparks, etc. ist sehr sichtbar und eignen sich deshalb gut für Angriffe.

Wir hassen die Knäste ebenso so sehr, wie wir die moderneren, digitalen technologischen Methoden zur Überwachung und Kontrolle hassen. Wir werden weiter raus gehen und jene angreifen, die an der Perfektionierung staatlicher Kontrollsysteme arbeiten.

Gegen den Staat und seinen Gewaltapparat! Knäste zu Baulücken!

Freiheit für die 3 von der Parkbank, für Lisa, für die Basel 18 und für alle anderen Gefangenen. Wir vergessen euch nicht!

chronik.blackblogs.org  / indymedia
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