Redebeiträge vom Anti-Knast-Konzert am 10.8.19

Vom Anti-Knast-Konzert am 10. August 2019 auf der Jungiusbrücke am U-Knast Holstenglacis wurden unter anderem die zwei folgenden Redbeiträge gehalten und uns zugeschickt:

 

Hallo ihr da drinnen,

Bonjour Loïc,

Hey ihr zwei von der Parkbank,

Vor vier Wochen standen wir auch schon hier, mit ganz viel Wut im Bauch und Sehnsucht nach euch – daran hat sich nichts geändert!

Ganz im Gegenteil: wir werden immer mehr! Hier draußen sind so viele Gefährt*innen, Freund*innen und family, die euch unterstützen – und fast täglich kommen von irgendwo her Solidaritätsgrüße von Menschen, die nicht nur an euch denken, sondern auch Projekte und Kämpfe weiterführen. Und das ist verdammt großartig und zeigt, dass ihre Repression es nicht schafft, uns unsere Kraft und unseren Mut zu nehmen – wir werden nämlich bärenstark für euch!

Und das, was hier in den letzten Wochen passiert ist, der Zusammenhalt und die Stärke, zeigt, dass Solidarität und Affinität nicht nur leere Worte sind, sondern dass unsere Idee von Freiheit stärker ist als jede Knastmauer!

Wir wussten schon vorher, dass Knast scheiße ist, dass er gebaut wird um Menschen zu beherrschen, sie klein zu machen und zu isolieren. Aber mit euch da drinnen kommt das alles nochmal näher und mach die menschenverachtende Logik des Knastsystems so deutlich. Und ihr sagt selbst, dass ihr da drinnen noch am Besten weg kommt – weil ihr weiß seid, Deutsch sprecht und die Anträge lesen könnt. All das zeigt, dass Knast eine Miniatur eines größeren Systems ist, das auf Ausgrenzung und Ausbeutung beruht. Und daher zerstört gehört!

Wir haben großen Respekt davor, dass ihr alle da drinnen irgendwie klar kommt, dass ihr beiden den Kopf oben habt und euren Mut nicht verliert. Und gleichzeitig gilt unsere Solidarität auch denen, die dazu nicht in der Lage sind.

Auch wenn wir Gefahr laufen, uns zu wiederholen: ihr seid nicht alleine! Auch wenn ihr da drinnen auf euch gestellt seid, versuchen wir hier draußen euch immer mitzunehmen – in Entscheidungen, die wir treffen, die Kämpfe, die wir führen und vor allem in unseren Herzen, die sich nicht einsperren lassen. Wir geben unser Bestes, damit ihr nicht alleine seid, es da drinnen besser aushaltet und ihr bald wieder das Meer sehen könnt!

Haltet durch ihr alle da drinnen, haltet auch zusammen, unterstützt euch und seid füreinander da!

Für eine Welt ohne Knäste!

Freiheit für alle Gefangenen!

 

 


Hallo an alle, die hier sind und auch an diejenigen, die nicht hier sein können,

Knäste sind konzipiert als Räume des totalen Zugriffs, der Kontrolle und Überwachung. Wir sind wütend und traurig, dass unsere Freunde an so einem Ort sein müssen, dass es solche Orte überhaupt gibt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die solche Orte für alternativlos hält. Wut über diese Zustände und Rache an den Bullen, die diese Zustände aufrechterhalten, sprechen aus vielen Aktionen der vergangenen Wochen:

Funkmast angezündet in Berlin-Neukölln

Bullenwache angegriffen in Hannover

Banner am Park von Kavala Athen

zwei brennende Telekomautos in Leipzig

Feuer für ein Vonovia-Auto in Wuppertal

Sodexo-LKW angezündet in Wuppertal

zwei schrottreife Autos und ein angezündeter Eingang einer Bullenwache in Bremen

Telekom-Auto in Berlin angezündet

Solidarische Grüße mit Transpi aus irgendwo, dem Wendland, Leipzig, Magdeburg und den drei Heinis, dem resist-to-exist-festival, sowie von der Elsenbrücke und dem Schwarzmarkt in Hamburg.

Es ist ein Irrtum wenn der Staat denkt, er könne durch das Einsperren unserer Gefährt*innen auch widerständige Ideen, Wünsche und Hoffnungen kontrollieren. Nicht mal physisch hat der Staat zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über die Gefängnisse. Davon zeugt die Geschichte zahlreicher Revolten, Aufstände und Gefangenenbefreiungen. Wir wissen selbst, dass der Alltag in deutschen Gefängnissen mehr von Monotonie und geraubter Zeit als von Revolte geprägt ist. Deshalb brauchen wir diese Geschichte und diese Geschichten umso dringender. Einige wollen wir hier mit euch teilen.

Im August des letzten Jahres fand ein landesweiter Streik in US-amerikanischen Knästen statt, der sich gegen Arbeitszwang und rassistische Zustände richtete.

In den türkischen Gefängnissen finden kontinuierlich Hungerstreiks und Revolten kurdischer Gefangener statt.

Im vergangenen September fuhren etwa 20 Menschen in Brasilien in Autos vor den Hochsicherheitsknast in der Stadt Joao Pessoa vor und sprengten das Zugangstor und stürmten mit Maschinengewehren den Knast. Nach Angaben der Bullen konnten während der Aktion etwa 100 Gefangene fliehen. Viele von ihnen sind immer noch frei.

Auch wenn wir weiter zurückblicken begegnen uns ermutigende Geschichten:

Am 9. September 1971 übernahmen 1200 Gefangene die Kontrolle über die Haftanstalt Attica im US-Bundesstaat New York. Attica war berüchtigt für die besonders schlechte Behandlung der Gefangenen. Die Aufständischen nahmen Wärter als Geiseln und versuchten bessere Lebensbedingungen im Knast durchzusetzen. Der Aufstand wurde nach vier Tagen niedergeschlagen.

Oder die Os Cangacieros in Frankreich: Sie lebten ein rebellisches Leben, im Konflikt mit Staat und Kapital, und richteten großen Schaden an: Gefängnisse und deren Infrastruktur waren einige ihrer Ziele. Mit der Sabotage von im Bau befindlichen Knästen begannen sie im Jahr 1989. Sie fügten dem für den Bau bestimmten Zement Zucker bei, um das Erhärten des Betons zu verhindern. Außerdem stahlen sie die geheimgehaltenen Pläne der sich im Bau befindlichen Gefängnisse und veröffentlichten diese in großer Zahl.

Auch in der Geschichte der BRD gab es immer wieder offensive Aktionen gegen Knäste: Beispielsweise die versuchte Sprengung eines im Bau befindlichen Abschiebegefängnisses in Grünau 1995 oder die Sprengung der JVA in Weiterstadt vor der Neueröffnung. 1993 fand diese Aktion statt, aufgrund der massiven Schäden konnten erst 1997 die ersten Gefangenen dort untergebracht werden.

Neben diesen spektakulären Aktionen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es an jedem Ort und zu jeder Zeit auch viele alltägliche, weniger sichtbare Formen von Sabotage und anderem Widerstand gibt.

Diese Geschichten machen uns Mut und damit grüßen wir alle Gefangenen, insbesondere unsere hier eingesperrten Gefährten,

Wir wissen, dass eure Widerständigkeit ungebrochen ist und schicken euch Kraft und Freiheit!

Brennende Herzen lassen sich nicht wegsperren!

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