Redebeitrag von Vorabenddemo zur Urteilsverkündung (4.11.20)
Freunde, Gefährt*innen, Gefangene im U-Knast Holstenglacis, Verwandte und Angehörige von hinter Mauern eingesperrten und isolierten:
Für viele von uns ist heute ein besonderer Tag. Morgen wird hier im Hochsicherheitssaal des Landgerichts das Urteil über drei unserer anarchistischen Gefährt*innen im als Parkbankprozess bekannt gewordenen Gerichtsverfahren gefällt. In 16 Monaten Untersuchungshaft haben wir zahllose Male vergeblich gehofft, unsere Freunde wieder hier bei draußen bei uns auf der Straße begrüßen zu können. Sie in die Arme zu schließen und zu sagen: „Schön, dass du wieder da bist, wurde aber auch mal Zeit jetzt!“….. Doch diese Zeit wollte nicht kommen; die Lügen und Frechheiten der Ankläger*innen – allen voran des Oberstaatsanwalts Schakau – und der politische Druck zur unbedingten Verurteilung sind bei einer heillos überforderten Großen Strafkammer 15 am Hamburger Landgericht auf große Ohren und leere Gesichter gestoßen. Bis zum morgigen Urteil sind 2 unserer Gefährten also in Untersuchungshaft geblieben.
Doch nichts liegt uns ferner, als uns an einer Justiz abzuarbeiten, die ihren Überblicks- und Kontrollverlust in einem Verfahren mit dem stumpfen abwatschen jeglicher Anträge zu kompensieren versuchte und über die Langstrecke von 50 Prozesstagen dem Anklagemärchen des LKA und der Staatsanwaltschaft stumm-staunend hinterher geschlichen ist.
Wieder einmal stehen wir hier vor der Mauer, um Wörter des Mutes, der Kraft und der Unterstützung zu unseren Freunden zu schicken und ihnen und allen widerspenstigen und solidarischen Gefangenen zu zeigen, dass hier draußen Viele an euch denken und auf euch warten. Alleine und isoliert zurückzubleiben im Gefängnis: Dafür ist nicht allein Stein und Stacheldraht verantwortlich. Viel entscheidender ist eine Kultur der Scham und der Angst, die sich um das Thema Knast und Einsperrung rangt und die wir nur lautstark zusammen und in Solidarität mit allen Gefangenen – die sich solidarisch mit ihren Mitgefangenen zeigen – hinter uns lassen können.
Die vergangenen 16 Monate haben uns die Wichtigkeit vielfältiger Formen der Solidarität wieder einmal klar werden lassen. Neben der Fortführung von Kämpfen gegen einen zerstörerischen und menschenverachtenden Kapitalismus und der persönlichen Unterstützung der Gefangenen, muss der Knast als Institution ein Ziel unseres Kampfes gegen Repression sein. Hier soll der Widerstand und die Persönlichkeit der Rebellischen gebrochen, die Unerwünschten bis zu ihrer Abschiebung eingesperrt und die Geisteskranken vollgepumpt mit Medikamenten der ewigen Dämmerung überlassen werden.
Nach den Erfahrungen der letzten anderthalb Jahre haben wir draußen und die Gefangenen Gefährten drinnen einiges über den Knast gelernt. Ohne die Realität hinter Gittern verharmlosen zu wollen, haben wir doch viel von der perfiden Dynamik des Gefängnisses mitbekommen. Im besten Fall hilft uns das für die Zukunft weiter, indem wir mit kommenden Repressionsschlägen besser umgehen können und verstehen lernen, wie und wo wir uns mit anderen Gefangenen verbinden, austauschen und sie im Kampf gegen die eigenen Einsperrung und für ein solidarisches Miteinander unter Gefangenen unterstützen können.
Wie es für unsere angeklagten Freund*innen vor und hinter den Mauern weitergeht, das können wir heute noch nicht abschätzen. Für das morgige Urteil haben wir alle Hoffnung der Welt sie wieder ohne Haftbefehl bei uns hier draußen zu haben. Doch haben wir in diesem elendigen Prozess auch wieder gesehen, wie unberechenbar und rachsüchtig die staatliche Justiz daherkommt. Was schon hunderte Male gesagt wurde, soll hier noch einmal wiederholt werden: Wir bleiben bei euch und an eurer Seite; auch und gerade dann, wenn ihr noch weiter in den Zellen bleiben müsst!
Mit allen Widersprüchen die ein widerständiges Leben mit sich bringt, versuchen wir weiter in Richtung einer Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Knäste zu gehen. Nicht immer fällt uns das leicht, besonders weil wir als Anarchist*innen die eigene Praxis, die erlernten Muster und Konventionen immer wieder hinterfragen und ggf. über den Haufen werfen. Doch wie ein eingesperrter Gefährte recht passend schrieb: „Die absolute Kohärenz von Theorie und Praxis bleibt halt denen überlassen, die keine Praxis habe!“
In diesem Sinne schicken wir euch dort drinnen eine feste Umarmung und viel Kraft und Energie für den morgigen Tag!
Seid sicher, wir sind da und werden es weiter sein! Wie auch immer das Urteil ausfallen wird. Gerichte und Paragraphen spielen nicht für uns, wir haben nur uns und unsere Solidarität.
Weg mit den Knästen und einer Gesellschaft die diese braucht!
Kraft und Solidarität mit den drei Angeklagten im Parkbankprozess!
Rede bei der Soli-Demo am 8.1.20 in Hannover
Widerstand lässt sich weder verbieten noch einsperren! Solidarität mit den Dreien von der Parkbank!
Wir demonstrieren hier, weil ab heute in Hamburg 3 Gefährt_innen vor‘s Landgericht gezwungen werden! Die Staatsanwaltschaft klagt sie der Verabredung zur schweren Brandstiftung und wegen Verstößen gegen das Waffengesetz an, weil bei ihnen Brandsätze gefunden worden waren, während sie auf einer Parkbank saßen. Die 3 sollen für Jahre im Knast landen. 2 von ihnen sitzen bereits seit einem halben Jahr in U-Haft.
Wir demonstrieren heute unsere Solidarität mit den Dreien, weil nicht nur sie angeklagt sind, sondern weil linksradikalem, militantem Handeln insgesamt der Prozess gemacht werden soll!
So konstruiert die Anklage einen der Dreien zu einer Art anarchistischem Anführer und begründet mit seiner politischen Gesinnung seine angebliche Gefährlichkeit. Ein wesentlicher Punkt der Anklage beschäftigt sich mit der politischen Einstellung der Drei. Vielleicht werden sie am Ende zu Knast verurteilt werden, allein, weil sie Anarchist_innen sind. Aber noch gibt es die Möglichkeit, das zu verhindern! Unser solidarisches Handeln kann den Druck aufbauen, der das verhindert. Wir sollten uns nur nicht vormachen, das wäre einfach. Denn wir wissen: Solidarität ist keine Haltung, sondern eine Handlung – sie muss praktisch werden.
Aber die drei sind nicht Opfer polizeistaatlicher Willkürherrschaft. Sie sind linksradikale Kämpfende, die offenbar bereit waren, militant Widerstand gegen die beschissenen Verhältnisse zu leisten. Dass der Staat mit Observationen und Verhaftungen zurückschlagen kann, sollte uns weder schrecken noch empören. Es ist auch kein Skandal. Wir sind diejenigen, die die herrschende Ordnung in Frage stellen und wir werden mit den Reaktionen der Herrschaft umzugehen lernen. Lasst uns selbstbewusst solidarisch sein, wenn der Staat auf militante Angriffe reagiert und Gefährt_innen einsperren will.
Das Kalkül des Staates, durch Verhaftungen Ruhe in den Karton zu bekommen, geht sowieso nicht auf.
Seit ihrer Verhaftung wurden Bullenwachen und -autos angegriffen, Autos von Knastprofiteuren, Vonovia und anderen Schweinen wurden abgefackelt, Scheiben eingeworfen, Parolen gesprüht, Banner aufgehängt, Demos und Kundgebungen durchgeführt.
Es hat seit der Verhaftung der drei auf einer Parkbank viele dutzend solch militante Angriffe gegeben hat, die sich solidarisch auf die „3 von der Parkbank“ beziehen.
Diese Demo reiht sich ein, in diese Art lebendiger Solidarität und sie ist Teil des autonomen linksradikalen Widerstandes, der mit dem Prozess in Hamburg auch verhandelt werden soll – zumindest, wenn es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft geht. Aber dieser Versuch der Staatsanwaltschaft, das kann man jetzt schon sagen, ist ordentlich nach hinten losgegangen. Lange gab es nicht mehr so viele Soli-Aktionen wegen staatlicher Repression. Widerstand lässt sich nicht verbieten!
Die Drei sind angeklagt, Aktionen gegen Konzerne geplant zu haben, die mitverantwortlich sind für Gentrifizierung und hohe Mieten.
Wir demonstrieren heute auch, weil wir den Widerstand gegen Gentrifizierung und Verdrängung unterstützen, wegen dem die 3 angeklagt werden!
Die 3 sind angeklagt, einen Angriff auf die Bausenatorin [?] von Hamburg geplant zu haben.
Wir demonstrieren auch, weil es richtig und notwendig ist, die politisch Verantwortlichen für die menschenverachtende Wohnungspolitik praktisch zu kritisieren. Hier hat gerade die Stadt Hannover den Mega-Miethai dafür verliehen bekommen, dass sie beste Bedingungen für die gewinnmaximierende Immobilienwirtschaft herstellt. Militantes Vorgehen gegen politisch Verantwortliche ist genauso Teil autonomer Politik, wie das mitorganisieren von Basisbewegungen.
Wir demonstrieren heute auch, dass wir uns nicht wegen der Wahl der Mittel spalten lassen, die Leute für nötig halten, um was gegen den kapitalistischen Wohnungsmarkt zu unternehmen.
Einer der Verhafteten wurde lange observiert, weil offenbar vermutet wurde, er könne zum Jahrestag des G20-Widerstandes in Hamburg aktiv werden.
Wir demonstrieren auch um klar zu stellen, dass der massive Widerstand gegen das G20-Treffen in Hamburg richtig und notwendig war!
Seit dem 8. Juli 2019 sitzen 2 Leute in U-Haft.
Wir wussten schon vorher, dass Knast scheiße ist, dass er gebaut wird, um Menschen zu beherrschen, sie klein zu machen und zu isolieren. Wir demonstrieren heute auch gegen eine Gesellschaft, die Menschen in Gefängnisse sperrt!
Dabei sind Schuld oder Unschuld für uns keine Kategorien die uns interessieren. Aber wir tun auf der anderen Seite auch nicht so, als hätten die drei nur zufällig und ohne Sinn Brandsätze dabei gehabt – oder als sei das nur eine Behauptung der Bullen. Wer so argumentiert geht schon er Juristerei auf den Leim und hantiert mit Unschuldsvermutungen. Knast kann die Folge von Widerstand sein. Das ist scheiße. Aber wer das weiß und sich trotzdem entschließt zu handeln, ist kein armes Opfer, sondern politische Gefangene oder Gefangener. Wir demonstrieren hier unsere Solidarität mit den beiden Gefangenen und schicken auf diesem Wege liebe Grüße über die Knastmauern.
Allen Dreien, ihren Freund_innen und den hamburger Solistrukturen, wünschen wir viel Kraft für die angesetzten 25 Prozesstage und die Zeit danach.
Wir können sie unterstützen, indem wir politisch solidarisch handeln, indem wir zu den Prozessen fahren, indem wir Briefe in den Knast schreiben.
Die juristischen Details, die Prozessdaten samt Uhrzeiten und den aktuellen Stand der Dinge sowie weitere Infos findet ihr unter parkbanksolidarity.blackblogs.org
Redebeitrag 31.12.19 – Silvester zum Knast
Wir stehen heute hier, weil Freund*innen, geliebte Menschen und Familie von uns hinter diesen hässlichen Mauern den Jahreswechsel erleben und wir ihnen so nah wie möglich sein wollen. Und auch weil wir diesen Staat, seine grausamen Institutionen, seine Repression nicht als Herrscher anerkennen. Vielleicht sind einige von euch auch hier, weil es sie ankotzt sich bei jeder Gelegenheit dem Konsum zu Unterwerfen, obwohl an jedem Punkt auf diesem Planeten das kapitalistische System nur Zerstörung und Verdummung produziert und ihr auf der Suche nach einer kämpferischen Perspektive seid. Hier erschaffen wir einen verbindende Moment vor dieser Mauer, der viel Wert hat in unserer solidarischen Perspektive von einer anderen Welt.
Wir stehen nun hier, getrennt von unseren Freunden, vor diesem Knast. Er symbolisiert wie nichts anderes das Druckmittel der Repression gegen alle Delinquent*innen und Dissident*innen. Repression ist eine logische Folge, wenn Menschen anfangen sich gegen ein System zu wehren, das auf Macht basiert. Repression ist das Druckmittel der Machthabenden und umgibt uns tagtäglich. Der alltägliche Druck und Zwang gesetzeskonform zu funktionieren. Eine Funktion von Repression ist die Trennung von einander und sie steht zwischen uns und unseren Ideen. Repression kann Angst erzeugen, davor sich zu wehren gegen Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit. Diese Angst wollen wir nicht einfach unterdrücken sondern einen gemeinsamen Umgang damit finden. Denn wogegen wir uns zur Wehr setzen sind die Isolation, die Vereinzelung, die Konkurrenz und hierarchiebelastenden Beziehungen die uns im kapitalistischen Patriarchat auferlegt werden. Wichtig für unsere kämpferische Perspektive ist dadurch der Angriff auf Institutionen der Macht genauso wie die Art und Weise wie Beziehungen in unserer Gesellschaft erschaffen werden. Das heißt, dass die Aktion, die die Repression nach sich zieht ist genauso wichtig, wie der Umgang miteinander wenn die Repression einschlägt, beides ist ein Angriff gegen den Staat!
Jenseits von Konkurrenz, Hierarchie und Autorität, wollen wir immer wieder Wege erkunden wie wir miteinander umgehen möchten. Wir wollen ein gemeinschaftliches Projekt gestalten und den Umgang untereinander solidarisch angehen. Der Staat entscheidet schon zu viele Dinge unseres alltäglichen Lebens, er sollte nicht auch noch darüber bestimmen wie und wann wir solidarisch sind. Er sollte uns nicht vorgeben wer falsch und wer richtig gehandelt hat. Wir sollten nicht auf die Verdrehung der Realität durch den Staat hereinfallen oder diese auch noch übernehmen. Wir wollen jenseits der Gesetze und Ermittlungen denken. Was bringt uns das Wissen darüber wer genau was wie getan hat oder nicht? Und das auch noch innerhalb einer Schuld-Logik des Staates, in der der Staat und seine Getreuen immer die Unschuldigen sind und diejenigen, die die Normalität stören die Schuldigen.
Wir solidarisieren uns mit Angriffen gegen den Staat und die Unterdrückung, wir solidarisieren uns mit unseren kämpfenden Gefährt*innen und bestärken uns gegenseitig mit dieser Art von praktizierter Solidarität in den Angriffen gegen das Bestehende. Sich immer wieder zu erinnern, warum wir gegen diesen Staat sind und wofür wir einstehen wollen und welche Wege wir dafür wählen, können wir der Angst vor Repression entgegensetzen. Wir wollen einen Bruch mit dieser Welt und stehen für eine grundlegende, emanzipatorische Veränderung ein- wie könnten wir davon ausgehen, dass dies ohne Gegenwehr der Machthabenden passiert? Wie könnten wir davon ausgehen, dass es jemals Widerstand ohne Repression geben könnte? Wenn wir diesen Staat abschaffen wollen, ist es offensichtlich, dass dies Folgen haben wird. Deshalb sollten wir nicht dem Trugschluss erliegen, dass wir die Repression verhindern könnten, da sie der Grundstein dieser Gesellschaft ist. In den Momenten, in denen wir uns dazu entscheiden, uns gegen das Bestehende zu wehren, egal in welcher Form, sei es durch ohne Ticket fahren, auf eine Demo gehen, Flyer verteilen, diesen Text hier schreiben, militanten Aktionen oder sich einfach nicht an ihre Regeln halten, haben wir immer mit Repression zu rechnen. Gäbe es keine Repression und dürften wir in dieser Welt tun und lassen was wir möchten, dann müssten wir nicht gegen sie kämpfen. Deshalb lassen wir uns durch ihre Repression nicht lähmen, sondern sehen uns nur bestärkt in unseren Ideen von Freiheit.
Klares Programm der Repressionsbehörden ist widerständige Subjekte zu isolieren, um sie zu brechen und nicht noch mehr widerständiges Potenzial wachsen zu lassen. Das kann alle treffen. Ein Ziel des Staates ist Spaltung und Entsolidarisierung zu bewirken und genau das wollen wir verhindern. Wenn wir uns auf die Unsicherheit, aber dafür auch auf all die Freuden und die Leidenschaft die uns verbindet einlassen, können wir Momente der Freiheit erleben ohne Ohnmacht oder totale Kontrolle. Das was unsere Solidarität beinhaltet und das was wir gegen die Repression machen können, ist diesen Staat und die Unterdrückung in der wir leben anzugreifen. Angreifen in seiner institutionellen Form genauso wie in den Beziehungskonstrukten die uns aufgedrückt werden, die wir gegen solidarische Verbindungen ersetzen wollen. Der Angst vor Repression und Knast setzen wir die Aussicht entgegen, in einer anderen, solidarischen Welt in Freiheit zu leben. – Und wenn wir uns damit auseinandersetzen, dass wir nicht viel zu verlieren aber alles zu gewinnen haben, dann müssen wir uns nicht mehr einschüchtern lassen, sondern können mit erhobenem Haupt gemeinsam dem Staat und seinen Getreuen entgegentreten. Im Angriff gegen das Alte und in der Erschaffung von etwas Neuem! Solidarität begleitet uns im Alltag, ist aber insbesondere Ausdruck unserer Kämpfe. Der Kampf gegen die Isolation – für Solidarität – ist die Hauptaufgabe jeder revolutionären Praxis, denn auf Solidarität beruhen die Beziehungen, die wir zu Menschen haben möchten. Das heißt: Solidarität ist das Grundprinzip dessen wofür wir kämpfen. Solidarität ist der Kampf den wir führen und das Ziel welches wir vor Augen haben.
Redebeitrag von der Anti-Knast-Kundgebung am 19.10.2019
Hallo ihr alle,
Wie schön, dass wir heute hier zusammen kommen, um unseren Freunden und Freundinnen, Familienangehörigen und Gefährt*innen unsere Liebe und Solidarität über die Mauern dieses elenden Gefängnisses zu schicken.
An dieser Stelle möchten wir besonders die zwei von der Parkbank grüßen, die sich jetzt seit 3,5 Montaen hier in Untersuchungshaft befinden. Wir grüßen euch und schicken euch unsere Küsse und Umarmungen!
Wir sind froh, dass ihr euch jetzt auf den offeneren Stationen befindet, was eure Isolation hoffentlich ein Stück weit mindert. Und trotzdem ändert das nichts an der Beschissenheit des Knastes, in welchem die unterschiedlichsten Menschen auf engstem Raum zusammengepfärcht werden. unter Bedingungen, die sich einige der Verantwortlichen dieser Einsperrung vermutlich oft selbst kaum vorstellen können, während andere die gezielte Zerstörung der Personen in diesem Apparat mit vollem Wissen in Kauf nehmen! Deshalb macht es glücklich, wenn wir eure Briefe voller Hoffnung, Kraft und Humor lesen und euch bei Besuchen lachen sehen, weil wir merken, dass ihr trotz des brutalen Freiheitsentzugs euren Kopf oben und eure Ideen im Herzen behalten könnt.
Wenn wir uns heute hier draußen mit Musik, Wortbeiträgen und Grußworten versammeln, dann um der Vereinzelung der Gefangenen und der Zerstörung ihrer Beziehungen zu Angehörigen und Freund*innen außerhalb der Knastmauern etwas entgegenzusetzen. Denn Isolation und Ausgrenzung ist es, was das Gefängnis produziert und die Repression gegen widerständige Menschen bewirken soll: Vom Gefasel der „Resozialisierung“, „Reintegrierung“ oder „Besserung“ überkommt uns – angesichts dieser gezielten Zerstörung sozialer Bindung in den Mühlen der Knastbürokratie- das kalte Kotzen.
Deshalb stehen wir heute hier, mit unserer ganzen Liebe für euch beide, unserer Solidarität für die kämpfenden Gefangenen und unbändiger Wut gegen die Herrschenden, ihre Repressionsorgane und Orte der Einsperrung, Abschiebung und Pathologisierung.
Die Massaker und Kriege in Kurdistan, die Zerstörung des Planeten im Kapitalismus und die Morde von Rechtsradikalen machen uns traurig und wütend. Doch wir wissen auch, wohin sich unsere Blicke richten müssen. Es ist der deutsche Staat, mit dessen Genehmigung die Türkei zum bedeutetsten Kunden deutscher Rüstungsfirmen geworden ist und jetzt mit deutschen Waffen in Kurdistan Massaker anrichtet. Es ist der Rohstoffhunger der deutschen Exportwirtschaft, wegen der ganze Kontinente abgeholzt, umgegraben oder sonst wie ausgeplündert werden; und es sind deutsche Strafverfolgungsbehörden, mit deren Kenntnis oder direkter Mithilfe sich über Jahre solide, schwer bewaffnete und bis in Parteienkreise vernetzte rechte Netzwerke entwickeln und Anschläge verüben konnten.
Menschen die gegen diese Zustände aufstehen – nicht indem sie nach der kleinen Hand der staatlichen Partizipation und institutionalisierten Protestterminen greifen, sondern indem sie sich selbst organisieren – werden ins Gefägnis gesperrt, mit Anklagen und wahnsinnigen Strafen belegt.
Und so werden Knast und seine schlüsseltragenden Menschenwärter*innen zu Bewahrer*innen einer kriegstreibenden, imperialistischen und rassistischen Logik, die sich konkret hier und jetzt im deutschen Staat und in allen anderen Staaten manifestiert.
Wir wünschen allen Gefangenen und Verfolgten viel Mut und Kraft. Egal ob sie für freiheitliche Ideen, wegen falscher Staatsangehörigkeiten oder weil sie sich den Spielregeln des Kapitalismus nicht fügen wollen oder können, im Knast landen. Wir wenden uns gegen eine Logik, die Eingesperrte zu einem Haufen krimineller Einzelfälle zu machen versucht, und rufen statt dessen zur Solidarität mit und unter Gefangenen auf.
Für eine Welt ohne Knäste und gegen eine Gesellschaft, die diese braucht!
Solidarität mit der dritten Angeklagten außerhalb der Mauern, welche erst vor zwei Wochen wieder mit einer Hausdurchsuchung belästigt wurde!
Freiheit für die zwei Gefangenen von der Parkbank, Freiheit für alle Gefangenen!
Vom Anti-Knast-Konzert am 10. August 2019 auf der Jungiusbrücke am U-Knast Holstenglacis wurden unter anderem die zwei folgenden Redbeiträge gehalten und uns zugeschickt:
Hallo ihr da drinnen,
Bonjour Loïc,
Hey ihr zwei von der Parkbank,
Vor vier Wochen standen wir auch schon hier, mit ganz viel Wut im Bauch und Sehnsucht nach euch – daran hat sich nichts geändert!
Ganz im Gegenteil: wir werden immer mehr! Hier draußen sind so viele Gefährt*innen, Freund*innen und family, die euch unterstützen – und fast täglich kommen von irgendwo her Solidaritätsgrüße von Menschen, die nicht nur an euch denken, sondern auch Projekte und Kämpfe weiterführen. Und das ist verdammt großartig und zeigt, dass ihre Repression es nicht schafft, uns unsere Kraft und unseren Mut zu nehmen – wir werden nämlich bärenstark für euch!
Und das, was hier in den letzten Wochen passiert ist, der Zusammenhalt und die Stärke, zeigt, dass Solidarität und Affinität nicht nur leere Worte sind, sondern dass unsere Idee von Freiheit stärker ist als jede Knastmauer!
Wir wussten schon vorher, dass Knast scheiße ist, dass er gebaut wird um Menschen zu beherrschen, sie klein zu machen und zu isolieren. Aber mit euch da drinnen kommt das alles nochmal näher und mach die menschenverachtende Logik des Knastsystems so deutlich. Und ihr sagt selbst, dass ihr da drinnen noch am Besten weg kommt – weil ihr weiß seid, Deutsch sprecht und die Anträge lesen könnt. All das zeigt, dass Knast eine Miniatur eines größeren Systems ist, das auf Ausgrenzung und Ausbeutung beruht. Und daher zerstört gehört!
Wir haben großen Respekt davor, dass ihr alle da drinnen irgendwie klar kommt, dass ihr beiden den Kopf oben habt und euren Mut nicht verliert. Und gleichzeitig gilt unsere Solidarität auch denen, die dazu nicht in der Lage sind.
Auch wenn wir Gefahr laufen, uns zu wiederholen: ihr seid nicht alleine! Auch wenn ihr da drinnen auf euch gestellt seid, versuchen wir hier draußen euch immer mitzunehmen – in Entscheidungen, die wir treffen, die Kämpfe, die wir führen und vor allem in unseren Herzen, die sich nicht einsperren lassen. Wir geben unser Bestes, damit ihr nicht alleine seid, es da drinnen besser aushaltet und ihr bald wieder das Meer sehen könnt!
Haltet durch ihr alle da drinnen, haltet auch zusammen, unterstützt euch und seid füreinander da!
Für eine Welt ohne Knäste!
Freiheit für alle Gefangenen!
Hallo an alle, die hier sind und auch an diejenigen, die nicht hier sein können,
Knäste sind konzipiert als Räume des totalen Zugriffs, der Kontrolle und Überwachung. Wir sind wütend und traurig, dass unsere Freunde an so einem Ort sein müssen, dass es solche Orte überhaupt gibt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die solche Orte für alternativlos hält. Wut über diese Zustände und Rache an den Bullen, die diese Zustände aufrechterhalten, sprechen aus vielen Aktionen der vergangenen Wochen:
Funkmast angezündet in Berlin-Neukölln
Bullenwache angegriffen in Hannover
Banner am Park von Kavala Athen
zwei brennende Telekomautos in Leipzig
Feuer für ein Vonovia-Auto in Wuppertal
Sodexo-LKW angezündet in Wuppertal
zwei schrottreife Autos und ein angezündeter Eingang einer Bullenwache in Bremen
Telekom-Auto in Berlin angezündet
Solidarische Grüße mit Transpi aus irgendwo, dem Wendland, Leipzig, Magdeburg und den drei Heinis, dem resist-to-exist-festival, sowie von der Elsenbrücke und dem Schwarzmarkt in Hamburg.
Es ist ein Irrtum wenn der Staat denkt, er könne durch das Einsperren unserer Gefährt*innen auch widerständige Ideen, Wünsche und Hoffnungen kontrollieren. Nicht mal physisch hat der Staat zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle über die Gefängnisse. Davon zeugt die Geschichte zahlreicher Revolten, Aufstände und Gefangenenbefreiungen. Wir wissen selbst, dass der Alltag in deutschen Gefängnissen mehr von Monotonie und geraubter Zeit als von Revolte geprägt ist. Deshalb brauchen wir diese Geschichte und diese Geschichten umso dringender. Einige wollen wir hier mit euch teilen.
Im August des letzten Jahres fand ein landesweiter Streik in US-amerikanischen Knästen statt, der sich gegen Arbeitszwang und rassistische Zustände richtete.
In den türkischen Gefängnissen finden kontinuierlich Hungerstreiks und Revolten kurdischer Gefangener statt.
Im vergangenen September fuhren etwa 20 Menschen in Brasilien in Autos vor den Hochsicherheitsknast in der Stadt Joao Pessoa vor und sprengten das Zugangstor und stürmten mit Maschinengewehren den Knast. Nach Angaben der Bullen konnten während der Aktion etwa 100 Gefangene fliehen. Viele von ihnen sind immer noch frei.
Auch wenn wir weiter zurückblicken begegnen uns ermutigende Geschichten:
Am 9. September 1971 übernahmen 1200 Gefangene die Kontrolle über die Haftanstalt Attica im US-Bundesstaat New York. Attica war berüchtigt für die besonders schlechte Behandlung der Gefangenen. Die Aufständischen nahmen Wärter als Geiseln und versuchten bessere Lebensbedingungen im Knast durchzusetzen. Der Aufstand wurde nach vier Tagen niedergeschlagen.
Oder die Os Cangacieros in Frankreich: Sie lebten ein rebellisches Leben, im Konflikt mit Staat und Kapital, und richteten großen Schaden an: Gefängnisse und deren Infrastruktur waren einige ihrer Ziele. Mit der Sabotage von im Bau befindlichen Knästen begannen sie im Jahr 1989. Sie fügten dem für den Bau bestimmten Zement Zucker bei, um das Erhärten des Betons zu verhindern. Außerdem stahlen sie die geheimgehaltenen Pläne der sich im Bau befindlichen Gefängnisse und veröffentlichten diese in großer Zahl.
Auch in der Geschichte der BRD gab es immer wieder offensive Aktionen gegen Knäste: Beispielsweise die versuchte Sprengung eines im Bau befindlichen Abschiebegefängnisses in Grünau 1995 oder die Sprengung der JVA in Weiterstadt vor der Neueröffnung. 1993 fand diese Aktion statt, aufgrund der massiven Schäden konnten erst 1997 die ersten Gefangenen dort untergebracht werden.
Neben diesen spektakulären Aktionen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es an jedem Ort und zu jeder Zeit auch viele alltägliche, weniger sichtbare Formen von Sabotage und anderem Widerstand gibt.
Diese Geschichten machen uns Mut und damit grüßen wir alle Gefangenen, insbesondere unsere hier eingesperrten Gefährten,
Wir wissen, dass eure Widerständigkeit ungebrochen ist und schicken euch Kraft und Freiheit!